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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt
Autoren: David Moody
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gewesen, das er gegessen oder nicht gegessen hatte? Nichts schien mehr jenseits des Bereiches des Möglichen zu liegen.
    Alles, was er sah, waren noch mehr der jämmerlichen, torkelnden Leichen. Da seine anfängliche Furcht und Unsicherheit im Freien nachgelassen hatte, fühlte Jack sich inzwischen weniger bedroht von ihnen. Er konnte sehen, hören, denken und reagieren. Sie hingegen konnten nur ziellos umherstolpern.
    Mit jedem Schritt kam er dem Stadtkern näher und näher. War es ungefährlich, dorthin zu gehen? Sollte er umdrehen und heimwärts marschieren? Die Hauptstraße verengte sich allmählich von beiden Seiten zu einer einspurigen Fahrbahn und durch die unvermittelte Nähe der Gebäude rund um ihn fühlte er sich eingeengt und unbehaglich. Er entschied sich dagegen, noch einmal zu rufen, da vor ihm noch mehr Leichen waren. Er schaffte es, mit einer neu gewonnenen Unverzagtheit an ihnen vorüberzugehen, und fasste sogar den Mut, eine von ihnen aus den Weg zu stoßen, als sie ihm zufällig in den Weg taumelte.
    Jack blickte flüchtig nach rechts, wo er eine von den erbärmlichen Kreaturen im Schatten eines Ladeneinganges sitzen sah. Er hatte bisher noch keine der Leichen ruhig sitzen sehen, sie schienen andauernd in Bewegung zu sein. Vielleicht war diese im Eingangsbereich hingefallen, gestorben und bis jetzt dort verblieben. Er ging etwas näher. Als er herankam, hob die Leiche den Kopf und blickte zu ihm auf, während sie die Hände hob, um die Augen vor der grellen Herbstsonne abzuschirmen, die für einen Moment durch einen unerwarteten Spalt in der schweren Wolkendecke schien. Die Gestalt im Eingang – ein junges Mädchen von vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahren, das eine zerknitterte, schmuddelige Schuluniform trug – stand langsam auf und begann, auf ihn zuzugehen. Die beiden mutlosen, verängstigten Personen brauchten über dreißig Sekunden, bis sie die Tatsache, dass sie beide jeweils einen weiteren Überlebenden gefunden hatten, begreifen und zur Gänze akzeptieren konnten. Das Mädchen hatte sich zunächst noch langsam und vorsichtig bewegt, begann die letzten Meter jedoch zu rennen, bevor sie ihre Arme um Jack schlang und auf die Knie sank. Er hockte sich hin und hielt sie so fest, wie er nur konnte, so als würde er sie seit fünfzig Jahren kennen und seit zehn nicht mehr gesehen haben. Schlussendlich hatte er doch noch jemand anderen gefunden, der überlebt hatte.
    Nach ein paar langen, ergreifenden Minuten der Stille sah sich Jack unruhig um, bevor er die Hand des Mädchens in die seine nahm und sie in Richtung des nächstgelegenen Gebäudes führte. Darin war eine Zahnarztpraxis, eine kalte, düstere und kleine Privatpraxis, die nach Staub und Verfall roch, noch immer mit einem deutlich sterilen, antiseptischen Nachklang. Die beiden Überlebenden setzten sich gemeinsam in dem muffigen Wartezimmer auf harte Plastikstühle, umgeben von drei bewegungslosen Leichen, die seit dem frühen Dienstagmorgen darauf warteten, von dem nun ebenfalls toten Zahnarzt behandelt zu werden. Eine Zahnarzthelferin war über einem Anmeldetresen zu ihrer Rechten zusammengebrochen. Die Anwesenheit der Leichen schien nicht mehr von Bedeutung zu sein. Im Inneren eines Hauses zu sein, half Jacks Gemütszustand, ungeachtet der Tatsache, wie trostlos und desolat seine neue Umgebung sein mochte.
    Zunächst wusste keiner der beiden Überlebenden, worüber sie miteinander sprechen sollten.
    »Ich bin Jack ...«, stammelte er schlussendlich ungeschickt.
    »Ich hörte Sie rufen ...«, schluchzte sie. Sie zitterte, als sie sich an ihn anlehnte. Die Wärme ihres Körpers fühlte sich angenehm und beruhigend an. »Ich wusste nicht, wo Sie waren«, fuhr sie fort. »Ich konnte Sie hören, aber nirgendwo sehen und ...«
    »Das macht nichts«, flüsterte er, während er ihr über das Haar strich und leicht ihren Scheitel küsste. »Das macht nichts.«
    »Haben Sie irgendwen sonst gesehen?«, fragte das Mädchen.
    »Niemanden. Was ist mit dir?«
    Sie schüttelte ihren Kopf. Da sie sich ein wenig besser fühlte und beruhigt hatte, schob sie sich leicht von Jack weg und setzte sich gerade in ihren Sitz. Er beobachtete, wie sie ihr Gesicht abwischte.
    »Wie heißt du?«, fragte er weich.
    »Clare Smith«, murmelte sie.
    »Und bist du aus der Gegend, Clare?«
    Sie schüttelte wieder ihren Kopf.
    »Nein, ich lebe mit meiner Mum in Letchworth.«
    »Wie bist du dann in diesem Teil der Stadt gelandet?«
    »Das Wochenende habe ich bei
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