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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt
Autoren: David Moody
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war, konnte er die Umrisse eines hohen Bürokomplexes sehen, der bisher von anderen Gebäuden verdeckt worden war. Und es war keine Einbildung, er konnte eindeutig Licht erkennen. Auf halber Höhe des massigen Baus wurde die Dunkelheit von mehreren Lampen unterbrochen. Und wo Licht war, so entschied er rasch, da mussten auch Menschen sein.
    Plötzlich von Energie und einer neu gewonnenen Entschlossenheit erfüllt schob er den Einkaufswagen tiefer in die Schatten hinein, drehte sich um und rannte auf das Bürogebäude zu. Eine Leiche erschien wie aus dem Nichts und kreuzte mit ihrem ziellosen Gang zufällig seinen Weg. Ohne nachzudenken, stieß er sie zur Seite; sie stolperte und fiel schweigend und teilnahmslos zu Boden. Paul lief weiter und erhöhte seine Geschwindigkeit. Er legte die Länge der Straße zurück und befand sich Sekunden später vor dem Gebäude. Um sicherzugehen, dass er den stumpfen gelben Lichtschein, der aus den Fenstern hoch über ihm drang, immer noch sehen konnte, warf er einen Blick nach oben und schirmte seine Augen vor dem Sprühregen ab. Die große Drehtür wurde von zusammengebrochenen Körpern blockiert, doch ein Seiteneingang erwies sich als passierbar und er bahnte sich einen Weg nach innen. Der stille, einem Mausoleum gleichende Ort stank nach Moder und den Anfangsphasen der Verwesung, doch Paul hatte sich bereits an den Geruch des Todes gewöhnt, der nahezu überall eingedrungen, alles durchtränkt und besudelt zu haben schien. Er machte sich nicht die Mühe, die Aufzüge auszuprobieren, sondern entschied sich stattdessen, gleich die Treppen zu nehmen. Die ersten drei Stockwerke erklomm er mit hohem Tempo, musste aber die Geschwindigkeit bald reduzieren. Zerrüttung und Überanstrengung forderten ihren Tribut, als der anfängliche Adrenalinschub allmählich abflaute. Mit jedem Schritt, der ihn das Gebäude höher hinaufbrachte, wuchsen Unruhe und Beklommenheit gleichmäßig in ihm. Doch er konnte nicht umkehren. Zum ersten Mal, seit das Ganze begonnen hatte, gab es eine sehr reale Chance, dass er kurz davor war, jemand anderen zu finden, der ebenfalls überlebt hatte.
    Vierter Stock – nichts.
    Fünfter Stock – nichts.
    Sechster Stock – Leichen.
    Paul stieg über einen Leichnam, der ausgestreckt am Fuß einer weiteren Treppenflucht am Boden lag, ehe er nach dem kunststoffbeschichteten Handlauf griff und sich weiter nach oben schleppte. Sein Verstand begann, ihm Streiche zu spielen. Hatte er tatsächlich Licht gesehen? Würde er in der Lage sein, das richtige Stockwerk zu finden? Er zwang sich selbst dazu, weiterzuklettern und klammerte sich währenddessen an den winzigen Hoffnungsschimmer.
    Siebenter Stock.
    Achter Stock.
    Neunter Stock.
    Zehnter.
    Hier war es. Noch bevor er von der Treppe in den Flur kam, konnte er das Licht sehen. Ein warmer gelber Schein fiel durch die kleinen Scheiben der Tür, die das Büro vom Rest der Welt abtrennten. Paul rüttelte und zerrte, nach dem anstrengenden Aufstieg schwer keuchend, ungestüm am Türgriff. Er rührte sich nicht.
    Im Inneren des Büros erstarrte Donna. Sie befand sich, in einen Schlafsack eingewickelt, wieder hinten im Schulungsraum und saß auf einem bequemen Drehstuhl. Jeder Nerv und jede Faser ihres Körpers spannte sich plötzlich vor nervöser Angst straff an. Sie wagte nicht, sich zu rühren.
    Paul rüttelte wieder an der Tür und schlug mit der Faust dagegen. Zwar konnte er weder jemanden sehen noch hören, doch das spielte keine Rolle. Das Licht alleine stellte für ihn mehr als genug Grund dar, um zu versuchen, einen Weg nach drinnen zu finden. Als er keine Fortschritte machte, trat er ein paar Schritte zurück und rammte die Tür mit der Schulter. Sie ratterte und zitterte zwar in ihrem Rahmen, ließ sich aber trotzdem nicht öffnen.
    Donna überlegte sich, dass keine der Leichen, denen sie bisher begegnet war, über annähernd genug Kraft verfügt hatte, um ein derartiges Geräusch erzeugen zu können. Sie wollte daran glauben, dass sich auf der anderen Seite der Tür ein weiterer Überlebender befand, doch in ihrem Inneren war sie nicht überzeugt, dass dies der Fall sein würde. Sie hatte sonst niemanden gesehen oder gehört. Ihr war klar, dass sie keine andere Wahl hatte, als die verhältnismäßige Sicherheit des Schulungszimmers zu verlassen und sich umzusehen.
    Der Flur war etwa zwanzig Fuß lang und fünf Fuß breit. Doppeltüren an beiden Enden gewährten Zutritt zur freien Bürofläche. Paul hatte sich am Ende
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