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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn
Autoren: David Moody
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Leichen einzeln langsam und schwach waren, gab ihre schiere Menge Anlass zu Sorge. Sie beobachtete, wie ein paar ausrutschten, in den Bach stürzten und es nicht wieder herausschafften. Eine weitere der Kreaturen blieb mit den Fetzten ihrer Kleidung an einem schartigen Holzstück des Torpfostens hängen und konnte sich nicht davon befreien.
    Die wandelnden Leichen jagten Emma aus mehr als einem Grund Angst ein. Es lag nicht nur an ihrem grauenhaften Aussehen und dem Umstand, dass ihr verwesendes Fleisch den Nährboden für unzählige todbringende Krankheiten bot. Auf morbide Weise faszinierten die Kreaturen sie. Noch vor weniger als einem Monat war jede einzelne ein Mensch wie sie gewesen. Ein Individuum. Eine Person. Ein menschliches Wesen mit einer einzigartigen Persönlichkeit, Vorlieben, Fähigkeiten und Überzeugungen. Was Emma zutiefst erschreckte, sie mit blankem Grauen erfüllte, war, in was sich diese einst gewöhnlichen Menschen verwandelt hatten. Zweifellos hatte etliche ihrer Freunde und Familienangehörigen dasselbe Schicksal ereilt. Und wer konnte sagen, ob sie selbst nach ihrem Tod nicht auch aufstehen und ihren verwesenden Körper bis zu dessen vollständigem Verfall ziellos durch die tote Welt schleppen würde?
    Einzeln waren die Kreaturen harmlos. Eine Gruppe von etwa zehn bis fünfzehn durfte man nicht unterschätzen, aber man konnte damit fertig werden. In der kalten Dunkelheit um das Haus hatten sich in jener Nacht jedoch tausende eingefunden.
    »Immer noch nicht besser?«, fragte unverhofft eine Stimme hinter ihr und ließ sie kurz zusammenzucken. Rasch wirbelte sie herum. Michael war aufgestanden.
    »Es sind noch alle da«, gab sie zurück, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. »Und es kommen immer mehr.«
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Emma nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster.
    »Glaubst du, sie wissen, dass wir hier sind?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung«, erwiderte er. »Ich glaube, sie spüren, dass wir anders sind. Vielleicht liegt es an den Lauten, die wir von uns geben, oder an der Art, wie wir uns bewegen.«
    »Was wollen sie nur von uns?«
    »Ich denke nicht, dass sie bewusst irgendetwas wollen.«
    »Warum sind sie dann hier.«
    »Instinkt.«
    »Instinkt?«
    »Ja. Wie ich schon sagte, wir sind anders. Was von ihren Gehirnen übrig ist, teilt ihnen mit, dass wir nicht wie sie sind, was ihre Aufmerksamkeit erregt. Ich glaube nicht, dass sie uns von Haus aus Schaden zufügen wollen, sie wollen nur wissen, was wir sind. Wenn sie auf uns reagieren, dann nur deshalb, weil sie sich schützen wollen.«
    »Sie halten uns für eine Bedrohung?«
    »Ich glaube ja.«
    Michael ging auf Emma zu und schlang die Arme um sie. Kurz scheute sie unwillkürlich und ohne eigenes Zutun, vor seiner Berührung zurück. Sie wollte ihm nahe sein, gleichzeitig wollte sie auch alleine sein. In Wahrheit wusste sie nicht mehr genau, was sie eigentlich wollte.
    »Geht es dir gut?«, fragte er besorgt.
    »Ja«, antwortete sie, drehte sich ihm zu, vermied es jedoch, ihm in die Augen zu sehen. »Ich bin bloß müde«, murmelte sie, »das ist alles.«
    »Bist du sicher?«, hakte Michael nach, offenbar nicht überzeugt.
    Emma schüttelte den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit brennenden Tränen.
    »Nein«, gestand sie, streckte die Arme aus und umklammerte ihn. Sie presste sich an ihn und vergrub das Gesicht an seiner Brust. »Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, von hier wegzukommen.«
    »Es wird alles gut«, sagte er automatisch und ohne jede Überzeugung.
    »Das sagst du immer«, schluchzte sie. »Dabei weißt du selbst nicht, ob es stimmt, oder?«
    Sie hatte Recht, das war Michael klar, deshalb hielt er es für besser, nichts zu erwidern. Mit Emma eng umschlungen rückte er näher zum Fenster und spähte hinaus. Wie sie gesagt hatte, schien sich wenig verändert zu haben.
    »Komm. Wir müssen los«, verkündete er plötzlich.
    »Was?«, protestierte Emma und löste sich von ihm. »Was soll das heißen? Wir sind noch nicht bereit, und –«
    »Es wird nicht besser«, unterbrach er sie mit überraschend ruhiger Stimme. »Wir könnten hier monatelang warten. Wir machen uns bloß etwas vor, wenn wir denken, es könnte einfacher werden.«
    »Aber was ist mit Carl?«, gab sie nervös zu bedenken. »Wir können hier erst weg, wenn er –«
    »Das sind bloß Ausflüchte«, schnitt Michael ihr seufzend das Wort ab. »Wir reden uns beide schon die ganze Nacht auf
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