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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt
Autoren: Marcus Brühl
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aufschwingt. Die Klar heit des Herrn umstrahlt seinen Geist. Morgen wird es wieder besser gehen.
    Henning liebt Isabell; dieser Gedanke, groß und irgend wie in derselben Farbe wie Hennings Gemütszu stand: dunkel – mit diesem finsteren Gedanken wiegt er sich in den Schlaf, der mit der Schwere eines Whiskey-Fasses auf ihn fällt. Sein Gesicht wird schlaff. Isabell spült den Kotzeimer aus und räumt alles weg. Sie legt sich an ge zogen neben Henning. Sie greift seine Hand und dreht sich von ihm weg. Ihre Gedanken zucken zu Andreas, der ihr Freund ist. Jedenfalls noch ihr Freund ist. Um geil zu werden, ist sie zu müde. Sie nimmt den Rhythmus seiner Atemzüge auf und schläft ein.
    Henning und Isabell sitzen in der Küche und früh stücken. Sie isst ein Nutella-Brötchen, er ein Brot mit Mar me lade.
    «Kaffee ist ein ziemlich ekelhaftes Getränk.» Isabell verzieht das Gesicht. «Erst riecht es wunderbar und dann schmeckt es so fürchterlich.»
    «Ich kann auch Tee machen.»
    «Nee, lass ma.» Isabell ist geistesabwesend. «Kümmer dich lieber um dich selbst.»
    Henning schluckt Kaffee.
    «Wie lange sind deine Eltern denn noch weg?», will sie wissen.
    «Noch zwei Wochen.»
    «Zwei Wochen! Gut. Da hast du ja noch was Zeit für dich.» Das Brötchen ist aufgegessen und Isabell nimmt sich eine Scheibe Brot. «Das ist ja noch ‘ ne Weile hin. – Gehst du zur Schule?»
    «Ja, mal sehn. Lust hab ich keine.»
    Das versteht niemand besser als Isabell.
    «Im Grunde bist du ja auch wirklich krank», sagt sie, steht auf und schaltet in Hennings Zimmer das Radio ein. Henning macht ein leidendes Gesicht.
    Isabell unterdrückt ein schadenfrohes Grinsen, steht aber ohne Kommentar auf und knipst das Radio wieder aus. Henning bedankt sich und lächelt sie an. Sie knud delt den sitzenden Henning von hinten. Die beiden fühlen sich wohl. Henning vergisst seinen Kater. Isabell reckt sich und streckt die Beine lang unter den Tisch.
    «Kannst du dich eigentlich noch an alles erinnern von gestern?», fängt Isabell die Unterhaltung wieder an.
    «Ich glaub schon», Henning hält einen Moment inne. «Hab ich dir was Wichtiges gesagt?», fragt Henning.
    «Was denn?», will Isabell wissen.
    «Was sehr Wichtiges?»
    «Nee – was denn?»
    «Ach nichts. – Es ist nur – »
    Isabell legt das Messer auf ihr Brettchen. Sie hat keine Ahnung, was jetzt kommt. Henning sieht seine Tasse intensiv an und muss sich räuspern. «Also, ich liebe dich, Isa bell.» Jetzt sieht er sie an.
    Isabell runzelt die Stirn, legt die geöffnete Hand auf den Tisch, lächelt und sieht Henning an. «Das ist schön.» Henning legt seine Hand auf Isabells Hand. Er macht die Augen zu, seufzt und entspannt sich. Alles ist klar. Er liebt Isabell und sie hat nichts dagegen und außerdem hat sie einen Freund. Der heißt Andreas. Alles ist in Ord nung.
    «Ich bin mit Andreas zusammen.» Isabells Stimme klingt ein bisschen besorgt.
    «Ich weiß», sagt Henning.
    «Aber ich weiß überhaupt nicht, was das bedeutet», fügt sie hinzu.
    «Was soll es bedeuten?»
    «Na ja, aber es muss doch etwas bedeuten!», sagt Isabell.
    «Joh», sagt Henning und grinst. Isa grinst zurück. Henning sieht sie an. Er kennt alle Züge in diesem Ge sicht und hat verfolgt, wie sie sich mehr und mehr aus geprägt haben. Er kennt ihre Augen ganz genau. Die sind ein mattes Blau mit einem unregelmäßigen goldfarbenem Strahlenkranz um die Pupillen. Im linken mehr Gold.
    «Wie lange bist du noch mal mit Andreas zusammen?»
    «Acht Monate.»
    «Und liebst du ihn immer noch?»
    «Na ja, irgendwie schon.»
    «Wir können ja zusammen sein, wenn du nicht mehr mit Andreas zusammen bist!»
    «Ja, machen wi r» , sagt Isabell und drückt irritiert Hen nings Hand. Die flammende Leidenschaft ist das ja nicht gerade, denkt sie. Aber sie kennen sich ja nun auch seit so langen Jahren. Fast die ganze Zeit, an die sie sich erinnern kann. Praktisch sind sie zusammen. Sie sind schon oft für ein Paar gehalten worden. Henning ist ihr so vertraut wie sonst keiner auf der Welt. Zusammen sein? Sie sind zu sam men. Hier am Küchentisch. Er muss kein Duell, nicht mal eine Szene mit Andreas machen. Er ist sich einfach sicher. Deshalb hat er Zeit. Ihr ist wohlig warm.
    «Und, soll ich noch zur Schule?» Die Frage ist mit der Zeit zu einem Ritus geworden. «Nee, bleib doch noch hier und dann gehst du nach Hause.»
    «Und mein schlechtes Gewissen?»
    «Das vergisst du am besten! – Wir können ja Kognak zum Kaffee
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