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Hengstgeflüster (German Edition)

Hengstgeflüster (German Edition)

Titel: Hengstgeflüster (German Edition)
Autoren: Alexis Levi
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schlucken, denn sie hatte den bärtigen, gefährlich aussehenden Riesen mit dem Herz aus Gold sofort lieb gewonnen.
    „Siebzig Euro und keinen Cent weniger“, sagte sie bestimmt und unterdrückte ein Kichern. Der Mann wollte feilschen? Kein Problem …
    „Ach´sig, und Onkel Ron schwört dir, das is´ sein letztes Wort.“
    Sie beugte sich zu ihm und drückte ihm einen herzhaften Schmatzer auf seine bärtige Wange. „Dank` dir.“
    „So und jetzt mach´s nicht so s´pannend und verschwinde endlich, Onkel Ron hat schließlich nich´ den ganzen Tag Zeit.“
    Bell warf den schweren Koffer aus dem Truck, sprang ihm nach und landete unsanft auf dem sandigen Straßenrand.
    „Hey, Kleine“, ein Bündel Geldscheine flog ihr in hohem Bogen zu, „pass gut auf dich auf, und vergiss nich´, was Onkel Ron dir übers richtige Saufen beigebracht hat!“
    Er zwinkerte ihr ein letztes Mal zu, warf die Tür mit einem lauten Krachen ins Schloss und startete weg, dass sich die massiven Reifen des Trucks am Stand durchdrehten. Unter lautem Hupen verlor sich sein Gefährt in einer staubigen Wolke. Bell sah ihm nach bis er verschwunden war und seufzte auf. Orientierungslos sah sie sich um.
    Cascine di Buti, 6 km, las sie auf dem Straßenschild, an dem Ron sie abgeladen hatte. Entschlossen schulterte Bell ihren Koffer, der beinah so groß war wie sie selbst - und vermutlich auch genauso schwer - und marschierte los. Sie durfte keine Zeit verlieren, es war bereits sieben Uhr abends und es würde bald dämmern.
    Neben ihr tobte der emotional aufgeladene, lebensmüde Straßenverkehr, der so charakteristisch war für das Land Italien. Die schweren Abgase verschlugen ihr den Atem und die trockene Hitze trieb ihr den Schweiß aus allen Poren.
    So langsam meldeten sich ihre müden Lebensgeister zurück. Die eigentümliche Dynamik dieses temperamentvollen Landes war zu ansteckend, zu mitreißend, als dass sich ihr jemand allzu lange hätte entziehen können.
    Nach einer Weile blieb Bell keuchend stehen und lud das riesige Ungetüm eines Koffers von ihren lädierten, zarten Schultern. Ihre schlabberige, dunkelbraune Leinenhose klebte an ihren verschwitzen Pobacken und ihr ausgewaschenes, gelbes Tweety T- Shirt roch verdächtig nach Schweiß und Onkel Rons Zigaretten.
    Ein alter, verrosteter Fiat hupte dumpf und Menschen unterhielten sich lautstark aus den offenen oder bisweilen nicht vorhandenen Autofenstern. Der schleppende Verkehr stockte und ein klappriger, alter Karren, vollgeladen mit weißen und braunen Ziegen, kam knarrend zum Stillstand. Die Tiere machten einen Heidenlärm, meckerten und blökten in den unterschiedlichsten Tonlagen. Schräg neben Bell bellte herausfordernd ein Hund.
    Das Gekläff schien aus nächster Nähe zu kommen, deshalb wandte sich die junge Frau auf der Suche nach dessen Quelle um. Hinter einem rostigen Vehikel ohne Reifen und Innenausstattung, das einfach am Straßenrand zurückgelassen worden war, entdeckte sie einen kleinen, Mitleid erregend abgemagerten Straßenköter, der argwöhnisch hinter der Rostlaube hervorspähte.
    Er besaß den sehnigen, sehr dünnen Körperbau eines wilden Tieres. Er sah aus wie ein Wolf im Körper eines Kojoten. Er kämpfte wohl ständig mit den Widrigkeiten des Lebens um sein Dasein. Sein wolfgraues Haar war an den fledermausartigen Ohren mit weißen Büscheln versehen, das linke Ohr hatte in der Mitte einen Knick und verlieh dem Tier ein niedliches Aussehen. Allerdings nur, wenn es gerade gut gelaunt war, dachte Bell. Doch das war nicht der Fall. Sie schauderte. Als das elende Geschöpf bemerkte, dass es entdeckt worden war, fletschte es drohend seine scharfen Zähne. Sie trat zügig einen Schritt zurück. Nur keine Angst zeigen!
    Sie machte wohl besser die Fliege, bevor dieser Straßenunfall sie noch mit Milzbrand oder ähnlich Gefährlichem ansteckte. Schritt für Schritt tastete sie sich rückwärts den Weg entlang, bis sie sich endlich - weit genug entfernt von der wandelnden Flohfalle - in Sicherheit wog. Dann wandte sie sich um und marschierte zügig weiter. Sie musste sich beeilen.
    Tief sog sie die fremdartigen, intensiven Gerüche ein. Der Benzingestank war durchmischt vom hitzeschwangeren Duft des Ende Juni in voller Blüte stehenden Ginsters und des beißenden Ziegenduftes. Dieser schwelgte wie eine dichte Wolke beständig über ihr. Es war einfach herrlich! Das war pulsierendes Leben, wie sie es sich vorstellte. Hier gefiel es ihr, hier würde sie sich Arbeit suchen
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