Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Zeit verstrich. Am späten Nachmittag hörte es auf zu regnen.
    Bald leuchteten die ersten Lichter in der Stadt.
    Wenig später glitt der Mond am Firmament empor.
    Die Tür öffnete sich. Angua kam mit leisen, geschmeidigen Schritten herein.
    Karotte drehte sich um und lächelte.
    »Ich war mir nicht sicher«, sagte er. »Aber ich habe gehofft. Immerhin heißt es, daß man Werwölfe nur mit Silberkugeln töten kann.«
     
    Zwei Tage später. Es regnete, und zwar richtig. Jemand schien himmlische Schleusentore geöffnet zu haben. Im Schlamm bildeten sich Bäche, und der Ankh kehrte in sein unterirdisches Reich zurück. Wasser strömte aus den Mäulern der urbanen Trolle. Die Tropfen fielen mit solcher Wucht auf den Boden, daß sie abprallten und einen dichten, feuchten Dunst bildeten.
    Die Regentropfen trommelten auch auf die Grabsteine des Friedhofs, der sich hinter dem Tempel der Geringen Götter erstreckte. Anschwellende Pfützen standen in der kleinen Grube, die dem Oberobergefreiten Knuddel als letzte Ruhestätte dienen sollte.
    An der Bestattung eines Wächters nahmen immer nur Wächter teil, erinnerte sich Mumm. Manchmal kamen auch Verwandte, wie in diesem Fall Lady Käsedick und Detritus’ Freundin Rubin. Aber weitere Trauergäste gab es nicht; es fand sich nie eine
Menge
ein. Vielleicht hatte Karotte recht: Wenn man Wächter wurde, hörte man auf, etwas anderes zu sein.
    Heute allerdings waren mehr Personen zugegen. Ganz gewöhnliche Bürger standen am Rand des Friedhofs und betrachteten von dort aus das Geschehen.
    Ein kleiner Priester führte ein Man-trage-hier-den-Namen-des-Verstorbenen-ein-Ritual durch – es sollte in erster Linie eventuell zuhörende Götter zufriedenstellen. Im Anschluß daran ließ Detritus den Sarg ins Grab hinab, und der Priester warf eine zeremonielle Handvoll Erde darauf. Allerdings ertönte nicht das übliche dumpfe Prasseln – es platschte.
    Karotte überraschte Mumm, indem er eine Rede hielt. Seine Worte hallten über den nassen Boden bis zu den nassen Bäumen. Der Text beschränkte sich im großen und ganzen auf folgendes: Er war mein Freund und ein guter Wächter; er gehörte zu uns.
    Er war ein guter Wächter. So hieß es immer, wenn ein Wächter beerdigt wurde. Vermutlich würde man das auch bei Korporal Nobbs Bestattung behaupten, obgleich alle Zuhörer heimlich die Finger kreuzen würden. Man
mußte
es einfach sagen.
    Mumm starrte auf den Sarg hinab. Nach einigen Sekunden regte sich ein seltsames Gefühl in ihm und entfaltete die gleiche Beharrlichkeit wie der Regen, der ihm unablässig über den Nacken rann. Es war nicht in dem Sinne ein Verdacht. Wenn das Empfinden lange genug in Mumm blieb, um dort Wurzeln zu schlagen, mochte es zu einem Verdacht werden, aber derzeit war es eine vage Ahnung.
    Er mußte sich danach erkundigen. Wenn er ganz auf Fragen verzichtete, dachte er vielleicht für den Rest seines Lebens darüber nach.
    Als sie vom Grab fortgingen, beschloß Mumm, doch etwas deutlicher zu werden. »Korporal?«
    »Ja?«
    »Niemand hat das Gfähr gefunden, oder?«
    »Nein.«
    »Wie ich hörte, hattest du es als letzter.«
    »Ich muß es irgendwo hingelegt haben. Du weißt ja, wie hektisch es zuging.«
    »Ja. O ja. Wenn ich mich recht entsinne, hast du die wichtigsten Teile des Gfährs aus dem Gildengebäude mitgenommen…«
    »Das stimmt.«
    »Ja. Hoffentlich hast du sie an einen sicheren Ort gebracht. Was meinst du?
Befindet
sich das Gfähr an einem sicheren Ort?«
    Hinter ihnen begann der Totengräber damit, nassen Ankh-Morpork-Lehm ins Grab zu schaufeln.
    »Ich denke schon«, erwiderte Karotte. »Zweifelst du daran? Bisher hat es niemand gefunden. Ich meine, bestimmt erfahren wir sofort davon, wenn es jemand entdeckt.«
    »Vielleicht ist alles besser so, Korporal Karotte.«
    »Ich hoffe es.«
    »Knuddel war ein guter Wächter.«
    »Ja.«
    Mumm wagte sich noch weiter aufs rhetorische Glatteis.
    »Sein Sarg… schien ungewöhnlich schwer gewesen zu sein.«
    »Tatsächlich? Mir ist nichts aufgefallen.«
    »Nun, wenigstens hat er ein richtiges Zwergenbegräbnis.«
    »O ja«, bestätigte Karotte. »Dafür habe ich gesorgt.«
     
    Regen strömte über die Dächer des Palastes. Steinerne Figuren ragten an allen Ecken auf; Mücken und Fliegen flohen aus ihren Ohren.
    Korporal Karotte schüttelte die Tropfen von seinem ledernen Umhang ab und erwiderte den Gruß des Trollwächters. Anschließend schritt er an den Bediensteten in mehreren Vorzimmern vorbei und klopfte an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher