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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen
Autoren: Elizabeth Moon
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hatte, dass sie eines Tages dort oben sein würde.
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    Besser, wenn sie sich sachlich, praktisch, vernünftig gab.
    Niemand wollte Träumer mit irrem Blick, Fanatiker. Besonders nicht von Planeten, auf denen Menschen erst seit ein paar hundert Jahren siedelten.
    Aber das Schweigen ihres Gegenübers entlockte ihr letztlich doch einen weiteren Satz. »Ich fand den Gedanken toll, in den Weltraum zu gehen«, sagte sie. Und spürte, wie sie rot wurde, spürte die verräterische Erhitzung von Gesicht und Hals. Sie verabscheute die helle Hautfarbe, die immer ihre Gefühle verriet.
    »Ah«, sagte er und berührte seinen Datenpad mit dem Griffel.
    »Naja, Lieutenant, das war dann alles.« Zunächst, drückte sein Blick aus. Das konnte nicht das Ende der Befragungen sein; so lief es einfach nicht. Esmay sagte nichts weiter, von den Höflichkeitsformeln abgesehen, die der Mann erwartete, und kehrte in ihr vorläufiges Quartier zurück.
    Vor der zweiten oder dritten Schicht an Bord des Flaggschiffs war ihr gar nicht bewusst geworden, dass nur sie unter den jungen Meuterern eine eigene Kabine hatte. Sie wusste nicht warum, da noch drei weitere Frauen dazugehörten, alle in eine Kabine gezwängt. Esmay hätte ihre Unterkunft bereitwillig mit jemandem geteilt, aber die Befehle des Admirals ließen keinen Spielraum für Einwände, wie Esmay herausfand, als sie den ihnen als Aufseher zugeteilten Offizier fragte, ob sie die Unterkunftszuteilung verändern durfte. Er bedachte sie mit einem Blick des Abscheus und lehnte mit dermaßen
    entschiedenem Tonfall ab, dass ihr die Ohren klangen.
    Also hatte sie eine Privatsphäre, wann immer sie sie nutzen wollte. Sie konnte auf ihrer Koje liegen (die eigentlich jemand anderem gehörte, aber ihr vorläufig zur Verfügung stand) und 25
    sich erinnern. Und versuchen nachzudenken. Eigentlich gefiel ihr beides nicht, jedenfalls nicht, solange sie allein war. Ihr Verstand war von einer Art, der am besten in Kombination mit anderen funktionierte, wenn die eigene Kompromisslosigkeit und die des anderen regelrecht Funken schlugen. Sich selbst überlassen, surrte er nutzlos vor sich hin und bereitete in einem fort dieselben Gedanken wieder auf.
    Die anderen wollten jedoch nicht über das reden, was ihr Kummer bereitete. Nein, das war nicht ganz ehrlich. Sie wollte auch mit ihnen nicht darüber reden. Sie wollte nicht darüber reden, wie sie sich gefühlt hatte, als sie die ersten Opfer der Meuterei sah – wie sie sich beim Geruch nach Blut und
    versengter Decksbeschichtung gefühlt hatte, wie Erinnerungen wachgerufen worden waren, von denen sie gehofft hatte, sie wären ihr für immer verloren gegangen.
    Krieg ist nicht sauber, nirgendwo, Esmay. Ihr Vater hatte das gesagt, als sie ihm erklärte, sie wollte zu den Sternen gehen, wollte Flottenoffizier werden. Menschenblut und Menschen-eingeweide riechen überall gleich; Schreie von Menschen klingen immer gleich.
    Sie sagte daraufhin, das wäre ihr klar; sie hatte geglaubt, es wäre ihr schon klar. Aber in diesen Stunden, die sie im
    Obstgarten verbrachte und zu den fernen Sternen hinaufblickte, klaren Lichtern in klarer Dunkelheit – hatte sie sich doch Besseres erhofft. Nicht Sicherheit, nein: Sie war zu sehr Kind ihres Vaters, um sich das zu wünschen. Aber doch etwas, das sauberer war, die durch das Vakuum verschlimmerte Gefahr und Waffen, die ihre Opfer verdampften …
    Sie hatte sich geirrt, und das wusste sie jetzt in jeder wi-derstrebenden Zelle ihres Körpers.
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    »Esmay?« Jemand klopfte an die Tür. Ein kurzer Blick in den Spiegel: Ihre Haare gehörten zu dieser schwer zu bändigenden Sorte, an der ständig etwas getan werden musste. Wäre es akzeptabel gewesen, dann hätte sie es bis auf einen Zentimeter Länge zurückgeschnitten und so belassen. Sie strich mit beiden Händen kurz und heftig darüber und drückte die Handfläche auf die Türsteuerung. Peli stand draußen und machte ein besorgtes Gesicht.
    »Alles in Ordnung mit dir? Du warst nicht beim Mittagessen, und …«
    »Ein weiteres Verhör«, warf Esmay rasch ein. »Und ich hatte ohnehin keinen richtigen Hunger. Ich komme.« Sie war auch jetzt noch nicht hungrig, aber Mahlzeiten auszulassen, das lockte die Psycholeute an, und sie hatte einfach keine Lust, auch noch von neugierigen Geistern einer anderen Sorte befragt zu werden.
    Das Abendessen lag ihr anschließend schwer im Magen; sie saß in der überfüllten kleinen Messe, ohne den Gesprächen der anderen richtig zuzuhören.
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