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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung
Autoren: Sebastian Glubrecht
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stehen.
    »Was soll das?«, ruft er. »Du hast das Sieger-Gen in dir, lass es heraus. Jetzt gibt es kein Zurück! Zeig, was in dir steckt. Work hard, play hard!«, ruft er und springt auf mich zu. Instinktiv weiche ich aus, ramme meine Rechte direkt durch seine Deckung. Sie trifft sein Kinn.
    Mein Vater fällt um.
    Mesut sieht mich an. »Das hatte er echt mal verdient«, sagt er und klopft mir auf die Schulter. »Du tust mir leid, mit so einem Arsch von Vater. Meiner war auch so.«
    Mein Vater stöhnt. Mesut beugt sich zu ihm herunter, hebt seine Beine hoch und tätschelt ihm die Wange, bis er die Augen aufschlägt.
    »Richard, geht es Ihnen gut?«, fragt er scheinbar besorgt. »Sie sind wie ein Löwe vorangestürmt, gestolpert und unglücklich gefallen.«
    »Gegen meine Faust«, ergänze ich und lege seinen schlaffen Arm über meine Schulter, um ihm aus dem Ring zu
helfen.
    Zehn Minuten später bestellt mein Vater an der Fitnesstheke zwei Proteinshakes und einen Strohhalm.
    »Geht es dir jetzt besser?«, fragt er, zückt ein Geldscheinbündel und schiebt mir den Hunderter zu.
    »Ein bisschen«, gestehe ich und stecke das Geld ein. Aber es fühlt sich an, als wäre mein Vater weiter von mir entfernt denn je.
    »Und dir?«
    »Geht so«, murmelt er und dreht sich zu mir.
    »Willst du eine Revanche?«, frage ich.
    Er reibt sich das Kinn, sein Kiefer ist geschwollen. Wenn man es positiv sehen will, wirkt es nun markanter.
    »Wieso bist du damals abgehauen?«, will er wissen.
    Diesmal halte ich seinen Blick. »Weil ich nicht so werden wollte wie du.«
    »Wie wolltest du denn werden?«
    »Anders. Ein Künstler. So wie Mama.«
    »Und was bist du jetzt?«
    »Schauspieler.«
    Er atmet tief durch, dann nickt er. »Okay. Hier mein Angebot: Ich besorge dir einen Job. Du kriegst 40 000 im Jahr.«
    »Und was muss ich dafür machen?« Offen gestanden würde ich für einen Job alles tun. Während der ersten Zeit in Berlin habe ich nur mit Brühwürfeln eingeriebene Spaghetti gegessen, an Feiertagen die von »Barilla«. Da habe ich sogar mal darüber nachgedacht, als Callboy zu arbeiten. Ich werde dafür bezahlt, eine Rolle zu spielen – nur eben vor kleinerem Publikum. Schlimmer als das kann es nicht werden. Aber wahrscheinlich ist das Jobangebot eh eine Spätfolge des K. o. und morgen wieder vergessen.
    Mein Vater bedeutet Mesut, uns noch zwei Shakes zu bringen. Plötzlich habe ich ein komisches Gefühl im Magen. Als würde das, was mich erwartet, noch viel schlimmer, als unglückliche Geschäftsfrauen zu penetrieren. Der Eiweiß-Protein-Vanille-Shake macht es nicht besser.

Betaphase
    Vor einem großen Gebäudekomplex im Industriegebiet fährt mein Vater rechts ran, beugt sich zu mir und zupft meinen Krawattenknoten zurecht. Ich habe mir für das Bewerbungsgespräch einen seiner blauen Anzüge geliehen.
    Zwei Wachleute nicken ihm zu. »Denen ist es egal, ob sie einen durchlassen oder erschießen«, meint mein Vater.
    »Dann nehmen wir doch Möglichkeit A, oder?«, entgegne ich und winke freundlich. Mein Vater lässt den Motor laufen und steigt aus. Ich folge ihm. Einer der Männer übernimmt den Wagen. Der andere tippt einen Code in einen Metallkasten und öffnet eine Sicherheitstür. Wir passieren eine gläserne Schleuse. »Die beiden Türen lassen sich nie gleichzeitig öffnen«, erklärt er und hält seine Brieftasche vor eine Säule, an der ein Scanner angebracht ist. Die zweite Pforte geht auf und gibt den Blick auf einen gigantischen Burghof aus Glas und Beton frei. Der ist von einer gläsernen Kuppel überdacht und ähnelt einem riesigen Loft aus Glas und Beton. Mittelpunkt des Gebäudes ist ein lichtdurchflutetes Atrium. Überall stehen Sitzgarnituren, mal auch nur ein Sofa, ein paar Bistrotische oder stylische Tresen mit Barhockern. Hier und da setzt ein grünes Sofa, ein muschelartiger Designersessel oder ein Gemälde Akzente. Alles ist hell und offen gestaltet. Kaum haben wir das Gebäude betreten, erscheint wie aus dem Nichts die Assistentin meines Vaters, nimmt sofort unser Tempo auf und reicht ihm ein paar Mappen mit Papieren, die er im Gehen unterschreibt.
    »Dies hier ist ein Tempel der Kommunikation. Und Kommunikation ist die Quelle der Innovation«, sagt er. Ich nicke. Was sich reimt ist immer gut.
    Auf jedem der insgesamt vier Stockwerke hocken Menschen in Anzügen, in Kommunikation und Innovation vertieft. Alle Leute, die uns entgegenkommen, gehen noch etwas schneller, als sie uns passieren, und werfen
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