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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung
Autoren: Sebastian Glubrecht
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gesagt. Er kochte derart vor Zorn, dass die Scheibe auf seiner Seite ständig beschlug.
    Seit seiner Ankündigung, sich mit mir zu prügeln, versucht eine vertikale Stirnfalte, sich auf seinem Gesicht gegen das Botox durchzusetzen.
    Meine Wut ist auch noch nicht verraucht, verwandelt sich aber allmählich in präventives Mitleid. In meiner Pubertät war ich im Boxverein. Und meine Pubertät ging ziemlich lange.
    Jetzt kommt er mit einem groß gewachsenen Typen mit Schlägerfrisur auf mich zu. Der Mann trägt ein Muskelshirt, seine Arme sind dicker als meine Beine, und in jeder Hand hält er ein paar Boxhandschuhe. Zwischen seinen weißen Zahnreihen rollt er einen Zahnstocher hin und her.
    »Ich bin Mesut«, sagt er mit breitem Grinsen, ohne den Zahnstocher zu verlieren, und streckt die Hand aus. Ich ergreife sie. »Richard zahlt mir gutes Geld dafür, dass seine Angestellten ab und zu bei mir Frust ablassen dürfen.«
    »Ich bin nicht sein Angestellter, ich bin sein Sohn.«
    Er sieht zu meinem Vater herüber, als erwarte er eine Bestätigung des Gesagten.
    »Besondere Probleme erfordern mitunter besondere Lösungen«, findet mein Vater.
    Mesut schüttelt den Kopf und sieht mich vorwurfsvoll an. »Da, wo ich herkomme, hat man Respekt vor seinen Eltern. Aber hier . . .«, er bricht im Satz ab. »Ist ja eure Sache!« Dann hält er meinem Vater die Boxhandschuhe hin, so dass der hineinschlüpfen kann. Mesut hat ja recht. Als er mir die Handschuhe hinhält, ziehe ich die Hände weg.
    Er dreht sich fragend zu meinem Vater.
    »Richard, Ihr Sohn will nicht kämpfen. Er ist ein guter Junge.«
    Mein Vater schüttelt den Kopf. »Guter Junge? Der ist ein Idiot! Ich werde ihm den Hintern versohlen, wie ich es schon vor dreißig Jahren hätte tun sollen.« Mein Vater öffnet den Mund. Mesut schiebt einen Zahnschutz hinein.
    »Ich werde nicht gegen dich kämpfen«, sage ich.
    »Du schuldest mir eine Viertelmillion.«
    Mesut nickt aufmunternd zu mir herüber.
    »Dann würde ich kämpfen.«
    Mein Vater haut seine Boxhandschuhe gegeneinander und deutet mit dem Kopf in den Ring. »Ich wette hundert Euro, dass ich gewinne. In bar, nicht anrechenbar auf deine Schulden. Wie ist es? Bist du dabei?«
    »Ich war Kreismeister bei den Amateuren«, erinnere ich ihn. »Das könnte ein Problem für dich werden.«
    Mein Vater winkt ab.
    »Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen. Jetzt sei ein Mann, und steig in den Ring. Gerade hast du noch gesagt, du willst mir in die Fresse hauen. Oder war das wieder nur so ein Kleine-Jungs-Traum? Deine Kreismeisterschaft liegt zehn Jahre zurück.« Trotz Mundschutz spuckt er auf den Boden.
    Mesut sieht ihn mahnend an. »Sachbeschädigung, kostet eine Viertelmillion«, sagt er, woraufhin mein Vater den Spuckefleck mit dem Turnschuh verwischt.
    Ich strecke die Arme aus. »Also gut.« Mesut zieht mir die Handschuhe an. Den Mundschutz schlage ich aus.
    »Von mir aus könnt ihr den ganzen Laden kurz und klein hauen«, meint Mesut. »Ich habe gestern verkauft.«
    »An wen?«, fragt mein Vater, und für eine Sekunde verschwindet die vertikale Stirnfalte aus seinem Gesicht. Ein Businesslächeln macht sich dort breit.
    »An einen russischen Investor.«
    »Khamroff?«, fragt mein Vater.
    Mesut nickt.
    »Was hat er vor?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich renovieren. Würde ich jedenfalls machen. Er nickt zu dem gläsernen Büro herüber, in dem seine Kollegen die Chinapfanne verputzen. »Und ein paar Leute rausschmeißen, die ihr Geld nicht wert sind.«
    Mein Vater springt hoch und haut seine Boxhandschuhe gegeneinander, dass es nur so knallt.
    »Richard, das ist total albern«, finde ich.
    »Nein, das ist ernst. Ich mache dir noch ein Angebot. Wenn du den Kampf gewinnst, besorge ich dir einen Job. Oder hast du dir das mit dem Arbeiten auch schon wieder anders überlegt?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    Mein Vater sieht zu Mesut. »Je schneller er gewinnt, desto schneller kriegt er einen neuen Job. Du bist Zeuge.«
    Mesut zieht die Seile des Rings auseinander. Dann stellt er sich zwischen uns, nimmt unsere Fäuste und verkündet, dass er einen fairen Kampf wolle. »Drei Runden à drei Minuten.« Wir nicken, hauen die Fäuste aufeinander. Mit einem gut gebrüllten »Fight« eröffnet Mesut den Kampf.
    Ich tänzle erst mal ein Stück zurück. Mein Vater hat die Fäuste zur Deckung erhoben, er ist Rechtsausleger. Sein Gesichtsausdruck wirkt entschlossen. Ich lasse meine Hände gesenkt. Nun bleibt auch mein Vater
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