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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter.
Autoren: Michael Heininger
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Jugendherbergen am Jakobsweg unterkommen. Die Barock-Basilika in Walldürn ist alljährlich Ziel für bis zu 150.000 Wallfahrer. Im „Burgtörle“ in der Hauptstraße 17 sind die Einheimischen jedoch unter sich. Fast: Mitten drin hockt ein Wanderer aus Gelnhausen bei Grünkernsalat und Most.

Das Herz der Frau ist verschlossener als ihre Haustür

    Auf dem „Limesweg“ verlasse ich Walldürn. Unterwegs weisen Tafeln auf Römer-Reste und die Heimat des Grünkerns hin. In Rinschheim erfahre ich dessen Geschichte: Aus Sorge, das schlechte Spätsommerwetter könne den Dinkel vernichten, ernteten die Bauern das Korn unreif, also grünes Korn. Die Methode wurde beibehalten. In Bofsheim steht im Gasthaus auf dem Stammtisch der Wimpel vom „Harten Kern“. Der Grünkern?
    Vier Stunden bin ich schon auf den Wanderbeinen. Wo werde ich übernachten? In der Gegend befindet sich kein Campingplatz, keine Jugendherberge, kein Naturfreundehaus.
    Ich möchte nach dem Weg fragen. In der Gasse im Ort duftet es hungererweckend nach Sellerie und Rindfleisch. Gelbe Rüben und Lauch sind sicherlich auch im Topf. Und Wacholderbeeren. Die Straße aber ist leer. Es gibt keine Läden mehr und so auch keine Passanten. Ein Geisterdorf. Doch da - eine Frau macht auf dem Gehweg gedeihenden grünen Gräsern den Garaus. Die kennt sich aus, die werde ich fragen. Aber die fundamentalistische Hausfrau hat den Fremden kommen gesehen, kommen gehört. Sie eilt hinein ins Haus, verschließt die Tür. Uralte Instinkte sind bei ihr erwacht. Was wird sie denken? Ein Landstreicher auf der Walz? Gar ein Zigeuner, der ihr an die Wäscheleine will? Oder hatte sie mich nicht bemerkt? Da bewegen sich verräterisch die sicher frischgestärkten Gardinen: Sie beobachtet mich. Ich kann sie nicht sehen. Ich weiß es trotzdem: Ihr Herz ist verschlossener als ihre Haustür. Egal, weiter. Die 80-jährige Wirtin in Hemsbach öffnet ihren „Adler“ nur zweimal in der Woche. Ich hatte das Glück, mit der lebensklugen Frau ein wenig zu plaudern. Eine beeindruckende Begegnung, ein Teil meines Jakobsweges, der mich die Grasausrupferin vergessen lassen sollte.
    Die Jakobskirche in Adelsheim ist verschlossen. Einst war sie Treffpunkt der Jakobspilger, heute Friedhofskirche und Leichenhaus. Ich liege im Schatten und versuche, die Inschriften der Epitaphe zu entziffern.
    Beim Wandern wird mir deutlich, wie flüchtig, wie vergänglich alles ist. Alles ist endlich: das Anstrengende und das Angenehme. Mein Weg - wo wird er mich hinführen? Ist er überhaupt der richtige? Die nächste Etappe - eine Durststrecke? Reicht meine Kraft aus? Diese Fragen stellen sich nicht nur auf einem Wanderweg, sondern auch auf dem Lebensweg. Immer ist der Mensch unterwegs, überall ist er nur kurze Zeit. Stets gilt es, Abschied zu nehmen.
    Ich bin müde. Doch ich muss noch weiter nach Sennfeld. Hier bietet eine Familie im Bauernhof Ferienwohnungen und auf ihrer Wiese am Waldrand Zeltplätze an. Ein Glücksfall - das müsste es öfter geben! Das denken wohl auch die hungrigen Stechmücken über mich.

Die Bauersfrau gibt mir einen Korb und ich bin froh darüber

    Geweckt vom frühen Guten-Morgen-Gezwitscher der Vögel krabbele ich aus dem Zelt. Vor mir liegt der mit Weiden gesäumte Hof der Familie Schaffer, hinter mir der Wald. Gehüllt im Handtuch eile ich zur Freiluft-Dusche. Hier fließt nur kaltes Wasser. Nur? Es werden sicher Tage auf meiner Wanderung kommen, an denen ein Strahl kaltes Wasser höchster Luxus ist. Rasch stehe ich wieder im Wander-Outfit und baue routiniert meine nächtliche Behausung ab. Zeit zum Frühstück! Als ich gestern ankam, war ich froh, noch Wasser und Wein, Wurst und Brot kaufen zu können. Bittet, so wird euch gegeben! Der Korb, den mir die Bäuerin brachte, war üppig gefüllt. So zehre ich heute Morgen noch vom Wurstrest und ihrer Freundlichkeit. Doch es heißt Abschiednehmen von Sennfeld.
    Ich fühle mich fit, doch hin und wieder plagen mich Zweifel: Werde ich es schaffen bis nach Santiago? Reicht das Geld? Spielt das Wetter mit? Halten meine Füße, meine Ausrüstung?
    In Roigheim warten Bäcker, Metzger und Läden auf Kunden. Solch ein Angebot findet sich nicht oft. Stundenlang bin ich manchmal gewandert, ohne eine Einkaufsmöglichkeit zu finden. Intakt ist neben der Infrastruktur hier auch noch die Natur: Im Muschelkalkhang gedeihen zwischen den Trockenmauem Orchideen. Ich wandere nach Bittelbronn und Neudenau. Den vorgeschlagenen Pilgerweg habe ich verlassen,
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