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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter.
Autoren: Michael Heininger
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Tour wollten die Wanderer der Zerstörung Pforzheims 1945 durch Bombenangriffe der Alliierten und Gernikas 1937 durch die faschistische deutsche Luftwaffe erinnern. Die Wanderer nannten sich „Friedenspilger“. Auch Jakobspilger wollen Friedenspilger sein.
    In der Pforzheimer Jugendherberge erhalte ich ein Einzelzimmer. Hinweis an der Wand: „Absolutes Alkoholverbot“. Ein schönes Geburtstagsgeschenk! Diebisch freuend schmuggele ich ein Fläschchen TL ein. Eine tolle Party! Erinnerungen an Klassenfahrten kommen auf. Wie gut ist das Leben zu mir! Ich bin glücklich.

Je öfter man im Wald auf Abfall trifft, desto näher ist man einem Ort

    In Pforzheim beginnt der Schwarzwald-Westweg. Etwa 170 Kilometer folgt ihm der Jakobsweg und seiner Markierung, der roten Raute auf weißem Grund. Rasch habe ich meine Siebensachen im Rucksack verstaut -wären es nur sieben ... Für manche sind drei Unterhosen, drei Paar Socken, drei Hemden schon zuviel. Die haben diese Kleidungsstücke nur je zweimal dabei, einmal am Körper und einmal im Rucksack. Ich ziehe ein Hemd einem T-Shirt vor und deshalb auch an. Mehr oder weniger aufgeknöpft bringt es luftige Erleichterung an heißen Tagen und klebt dadurch nicht so am schweißigen Leib. Dennoch habe ich ein T-Shirt dabei: In Kombination mit einem Hemd ersetzt es den Pullover. Übrigens: 2004 hatte ich meine drei Unterhosen schon vor den Pyrenäen völlig verschlissen und musste neue kaufen.
    Im Outdoor-Laden findet sich eine zweckmäßige Wanderhose mit genügend Taschen. Bei den erhofften warmen Temperaturen unterwegs sind Bermudas zu empfehlen. Für kühles Wetter und zum Wechseln habe ich eine lange Hose mit abtrennbaren Beinen dabei. Jeans sind zu schwer und trocknen schlecht.
    In Neuenbürg mache ich Rast in der lieben Campingplatz-Gaststätte, in der die Zeit stehen geblieben und mancher Gast sitzengeblieben ist. Hier wollte ich übernachten, doch regenwetterbedingt blieb ich in Pforzheim. Ich bin ja jetzt ein Jahr älter ... Steil geht es im Ort aufwärts in den Wald.
    Es lohnt, anzuhalten und auch Alltägliches aufmerksam zu beobachten. Beim genauen Hinsehen stellt sich der grüne Erdhügel als ein vor langer Zeit aufgesetzter Stapel gefällter Stämme heraus. Niemand hat das Holz abgeholt, es vermodert, moosbesetzt. Gräser und Farne wachsen auf dem wie eine Waffel zerbröselnden Totholz. Totholz? Hier ist Leben! Ich entdecke Pilze, Schwämme und find Spuren vom Borkenkäfer. Aus Fichtenzapfen wachsen Fichtenbabys. Leben. Vergehen. Neues Leben.
    Langsam verfallen auch die „Volzener Steine“. Durch Ausspülung und Frostsprengung wurden mächtige Steinblöcke aus dem Fels herausgelöst und bieten ein bizarres Bild. Aber auch diese Kulisse zerfällt, zergeht.
    Nebel kommt auf. Kälte. Ich friere. Es beginnt zu schütten. Die Abenddämmerung schleicht schneller heran als erwartet. Ich übersehe eine Abzweigung, mache einen Umweg. Beruhigend: Je öfter man im Wald auf Abfall trifft, desto näher ist man einem Ort. An Zelten ist nicht zu denken. Ich möchte mir nicht in Dobel den Deibel holen und leiste mir ein warmes Zimmer. Fröstelnd liege ich im Bett. Habe ich mich erkältet? Stark? Einen krankheitsbedingten Abbruch hatte ich überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Wieder muss ich erkennen, wie unerwartet schnell meine Tour zu Ende sein könnte.

Stock und Hut stehen mir gut, bin gar wohlgemut

    Auf dem Rücken der Rucksack, in der Hand der Stab, auf dem Kopf der Hut: So mache ich mich auf den Wander-Klassiker „Westweg“. Frohgemut, die Nacht im Federbett tat mir gut.
    Macht es denn Sinn, einen Wanderstab mitzunehmen? Diese Frage hatte ich mir vor meinem ersten Aufbruch gestellt. Nie hatte ich einen Stock beim Wandern benutzt. Lange bevor Trekkingstöcke in Hand und Handel gelangten, wurden im Wanderverein Spazierstöcke mitgeführt, weniger zur Abstützung als viel mehr zum Anbringen von „Stocknägeln“, bunten Souvenir-Plaketten aus Metall.
    Birgit Götzmann schreibt im Pilgerführer „Frankreich, Jakobsweg“: „Der Wanderstock entlastet die Gelenke, stützt und öffnet die Atmung, kann gegen vorlaute Hunde und bissige Schlangen schützen, hilft zur Stacheldrahtüberwindung ...“ Weitere interessante Nutzungsmöglichkeiten folgen. Und: „Idealerweise ist ein Wanderstock 20 cm höher als die Person, die ihn trägt.“ Also schnitt ich mir aus dem kerzengeraden Schießer eines Haselnussstrauches einen Stab. Ich kam mir anfangs mit dem Plus-20-Ding schon ein
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