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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter.
Autoren: Michael Heininger
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Weg der richtige ist. Nicht falsch abbiegen! Lieber einen Umweg machen und richtig ankommen, als sich verirren. Hin und wieder eine Rast einlegen, zurückblicken. Sich umsehen.
    Pause an einer Quelle. Wie köstlich klares, kühles Wasser schmeckt! Der Jakobsweg nimmt auch die Angst vor einer langen Strecke ohne Gaststätte. Und vor großen Durstrecken im Leben. Die Wolken eilen vorüber am Himmel, der Wasserstrahl verschwindet im Bach. Der Wanderer ahnt, Teil dieser Bewegungen zu sein.
    Der versteckt liegende Bauernhof und Gasthof Harkhof lockt mit lächelnder Bedienung, herzhaften hausgemachten Bratwürsten und Bibliskäse, obwohl das Kraftwerk Wyhl viel näher liegt. Im Krug schafft die Wirtin den Apfelwein heran, von ihr Most genannt. Hahn und Henne tummeln sich auf der Wiese. Städter kennen diesen Anblick oft nur als Motiv der Geschirrserie, die in der Nähe hergestellt wird. Im Haus kann der Wanderer in gemütlichen Zimmern preiswert übernachten. Ich ziehe das Matratzenlager vor: Alles picobello, die Sanitärräume haben Sterne verdient. Einfach und gut, einfach gut.

„Olivenbaum war ich mit verdorrten Früchten und ich fand das Wasser”

    Gerne wäre ich länger im gastfreundlichen Harkhof geblieben, doch ich muss aufbrechen. Heute ist mein letzter Tag auf dem Westweg. Der leutselige Nachbar gab den Tipp, nicht über den Brandenkopf zu gehen, sondern den alten Wegverlauf zu wählen. So erreiche ich zeitig Hausach. Da taucht sie plötzlich und unerwartet auf - die klassische Markierung des Jakobsweges, die gelbe Muschel auf blauem Grund. Eine lokale Gruppe hat damit eine Strecke gekennzeichnet, die Wanderern ein wenig Pilgerstimmung vermitteln soll, aber sie nicht zum Grab des Jakobus führt. Dieser Weg soll geistiger Nachvollzug der Reise nach Santiago sein. Gestern, im Harkhof, war eine muntere Damenriege aus Hausach zu Gast. Stolz erwähnten sie José Oliver, den in ihrer Stadt geborenen Sohn spanischer Arbeitsmigranten. Er sei ein bekannter Literat, eine Berühmtheit. Ich hatte von ihm nie gehört. Heute, in der Buchhandlung, spürt die Händlerin für mich im Internet seine Zeile auf: „Ein Olivenbaum war ich mit verdorrten Früchten und ich fand das Wasser.“ Suchen nicht auch wir auf unserem Weg nach Santiago neue Impulse und geistige Auffrischung? Auch wir müssen auftanken, damit die Früchte unseres Lebens nicht verdorren, sondern reifen und genießbar werden. Der Weg nach Santiago kostet einiges an Kraft. Doch er gibt das Vielfache an neuen Kräften zurück.
    Kraft brauche ich jetzt. Oben, über Hausach, thront der Farrenkopf. Und da muss ich rauf. Der Westweg verlangt vom Wanderer noch einmal alles ab. Mit Gepäck und Einkauf für das Abendessen stapfe ich höher und höher. Es geht nur nach oben. Der Aufstieg muss doch ein Ende haben! Weiter, immer weiter. Endlich, endlich stehe ich vor der Schutzhütte. „Schutzhütte“ - es ist ein massives Haus. Die Mitglieder vom Schwarzwaldverein haben in vielen Arbeitsstunden eine großzügige, schindelverkleidete Unterkunft geschaffen. Außen laden aus wuchtigen Brettern gezimmerte Bänke und Tische ein. Das Holz glänzt silbrig-schwarz in der Abendsonne. Ein Falter mit dottergelben Flügeln gesellt sich zu mir. Der Westweg zeigt sich noch einmal von seiner attraktivsten Seite, will den Abschied mir schwer machen. Glücksgefühle kommen auf. Ich liebe meine Welt.
    Ich werde hier übernachten, ins Hüttenbuch habe ich bereits eingetragen: „von Gelnhausen nach Santiago“ - zu großmäulig, zu voreilig? Da wuselt sich eine Frau nebst Mann aus den Büschen. Ich wundere mich über so späte Wanderer. Sie beachten mich nicht, grüßen nicht. Hatten sie ein Techtelmechtel vor und ich störe? Sie geht ins Haus, kommt heraus und sagt zu ihm: „Da ist einer auf dem Jakobsweg unterwegs. Toll!“ Grußlos gehen sie bergab. Im Wald kehrt Ruhe ein, in mir bleibt die Zufriedenheit.

Nach einer langen Wanderung sind meine Probleme gelöst

    Vom Farrenkopf aus marschiere ich noch ein paar Kilometer auf dem Westweg, dann verlasse ich ihn und damit auch den eigentlichen Verlauf des Jakobsweges von Aschaffenburg nach Colmar. Die Streckenführung war anstrengend. Menschen in früherer Zeit werden nicht auf den Höhen gegangen sein, der Schwarzwald wurde erst spät erschlossen, und durch Täler kommt man besser voran. Der Pilger des Mittelalters wollte schnell, bequem und sicher nach Santiago gelangen. Er hat dabei die vorhandenen Wege benutzt. Aus den alten Pfaden
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