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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter.
Autoren: Michael Heininger
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und Landstraßen sind aber mittlerweile Autobahnen geworden. Die örtlichen und regionalen Initiativen haben daher die Jakobswege unserer Zeit auf bestehende Fernwanderwege gelegt. Für Wanderer ist es attraktiver, über Höhenzüge zu gehen als an Flüssen entlang. Gründe dafür dürften sein die Fernsicht, meist mehr Schatten und weniger Mücken. Oft bieten nur Fahrradwege eine Alternative.
    In Oberprechtal grüßt mich freundlich eine junge Familie in Wanderkluft. Ob es dem Nachwuchs Spaß bringt, durch den Wald zu streifen statt durchs Internet zu jagen? Als Kind bin ich auf Wanderungen, meist vom Spessartbund organisiert, mitgegangen. Nie brauchte ich dazu gedrängt zu werden, mir hat das Laufen durch Wald und Wiese immer Freude bereitet. Als ich älter wurde, erlebte ich, dass Wandern auch Hilfe sein kann. So wie manche Menschen „erst eine Nacht über etwas schlafen“ wollen, schiebe ich ein Problem ein paar Tage zur Seite. Ich weiß, nach einer ausgedehnten Wandertour habe ich eine Lösung gefunden oder aber das „Problem“ ist keines mehr für mich. Diese Erfahrung ist ein kostbarer Schatz, unbezahlbar.
    Bezahlbar ist das „Rössle“. Hier kehrte in den einst Ernest Hemingway ein. Er lobte Essen und Bier, schimpfte über Wein und Betten. Er besuchte auch den „Adler“. Da tischt man heutzutage Jakobsmuscheln auf. Im Ort sind die Kuckucksuhren nicht stehen geblieben.
    In Elzach werde ich im Getränkeladen als Pilger erkannt und bekomme das Tannenzäpfle-Bier spendiert. Später hält ein Radler an. Wir unterhalten uns über „den Weg“. Ein Bekannter von ihm sei in Ponferrada als Hospitalero tätig. Er nimmt mich mit in seine Firma und serviert Apfelschorle.
    Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Freund, der gelesen hatte, dass man ein Pilgergelübde vererben konnte. „Stell dir vor, da hat einer zwei Söhne. Dem ältesten vermacht er den Besitz und dem jüngsten das Gelübde. Der Ärmste!“ Er lachte. Heute, nachdem ich selbst einmal nach Santiago marschiert bin, ahne ich, dass der Jüngste vielleicht der Reichste war. Auf dem Campingplatz in Waldkirch baue ich mein Zelt auf - die tägliche Routine. Aber aufregender, als zu Hause Staub zu wischen.

Der Jakobsweg beginnt immer an der eigenen Haustüre

    Wie jeden Morgen, so heißt es auch heute in Waldkirch: aufbrechen! Auf geht’s! Wenig Gepäck im Rucksack bedeutet nicht nur leichteres Tragen, sondern auch einfacheres Packen. Wenn man sich fragt, wie man am Vortag das ganze Zeug verstaut hat, hat man zu viel eingepackt.
    Der Schwarzwald-Westweg beginnt in Pforzheim oder, wenn man nach Norden wandert, in Basel. Wo beginnt der Jakobsweg? Es gibt nur eine Antwort: An der Haustüre des Pilgers. Im Mittelalter, als die Wallfahrt nach Santiago begann, da gab es noch keine öffentlichen Verkehrsmittel. Der Pilger musste von zu Hause loslaufen und ist, wenn alles gut ging, auch wieder dahin zurückgekehrt. Zu Fuß. Auch heute brechen manche Pilger zu Hause auf gen Spanien - vielleicht bewältigen sie ihre Strecke etappenweise, verteilt über Jahre. Und da nicht jeder im gleichen Haus wohnt, ist jeder Beginn ein anderer. Jede Strecke ist individuell. Aber auch die Wanderer, die in den Weg unterwegs einsteigen, haben ihren eigenen Ausgangspunkt. Da fährt einer mit der Bahn in irgendeine Stadt in Frankreich und startet dort. Ein anderer wechselt in Spanien vom Flugzeug in den Bus und beginnt seinen Jakobsweg da, wo er es für sinnvoll hält. Die Entscheidung liegt beim Pilger. Den Ausgangspunkt für seinen Weg legt jeder Pilger selbst fest. Es kommt auf Kondition, Zeit und finanzielle Ausstattung an, welcher Weg nach Santiago der richtige ist. So wie jeder Mensch individuell in sein Leben und Lebensweg tritt, so betritt jeder Pilger individuell seinen Jakobsweg - selbst wenn man zu zweit startet. Da haben zwei Pilger die gleiche Adresse. Sie haben dennoch unterschiedliche Ausgangspunkte: Der eine möchte vielleicht den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten, der andere will eine schwere Entscheidung noch einmal überdenken.
    Über Denzlingen und Gundelfingen gehe ich nach Freiburg. Dort spricht mich ein junges Paar an und fragt, ob ich auf dem Weg nach Santiago sei. Die beiden sind in Spanien gepilgert. Obwohl das drei Jahre her gewesen ist, erzählen sie voller Begeisterung. Ich freue mich für die beiden und auch für mich.
    Treffe ich Santiagopilger, sind sie stets begeistert von ihrer Erfahrung. Manchmal habe ich meine Bedenken.
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