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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter.
Autoren: Michael Heininger
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das meiste Gepäck im Hotel gelassen und würden dorthin wieder zurückchauffiert. Sie gaben sich echauffiert, dass ich mir meinen eigenen Pfad suchte und vom offiziellen und rechten Weg abkäme. Für mich ist entscheidend, dass ich Santiago erreiche. Zu Fuß.
    Für die, die nicht ausschließlich in Hotels schlafen, gehört auf jeden Fall ein Schlafsack in den Rucksack. Man kann nicht darauf verzichten, egal wo und wie man übernachtet. Im Zelt ist er selbstverständlich, aber auch in den Herbergen in Frankreich und Spanien, denn dort werden wir nur Matratzen vorfinden. Ein leichter, einfacher Schlafsack reicht aus. Ist es einmal zu kalt im Schlafsaal, zieht man sich nachts wärmer an. Oft sind in den Unterkünften Decken zu entdecken.
    Der Pilger sollte sich etwas einfallen lassen, worauf er seinen Kopf bettet, es gibt zwar manchmal historische Kissen ohne Bezug - aber mit Bezug zu den Vornutzern. Meine Sache ist das nicht, da rolle ich lieber meine Jacke zusammen. Eine Isoliermatte habe ich auch dabei. Sie ist verzichtbar, doch im Zelt angenehm und praktisch in überfüllter Herberge, sollte man auf dem Fußboden schlafen müssen. Und sie macht stark verschmutzte Matratzen benutzerfreundlicher.
    Am Wegesrand erklären Schilder die vor gut dreihundert Jahren errichteten „Eppinger Linien“ - Befestigungsanlagen aus Wall, Graben und „Verhack“ aus Baumstämmen, um französische Truppen abzuwehren. Nicht einmal Hirsche schlüpften da durch. Die Römer brachten den Trollinger, die bekannte Rebsorte Württembergs, hierher. Die Einheimischen lieben den leichten Rotwein, das Nationalgetränk der Schwaben. Solche sitzen neben mir im „Lamm“ in Freudenstein und verzehren Siedfleisch mit Meerrettich, Kalbsbratwürste mit handgeschabten Spätzle , trinken aus Henkelgläsern Schwarzriesling und TL.
    Mein Tischnachbar spricht mich neugierig an. „Jakobsweg? Bis nach Spanien?“ Ich nicke. Doch es ist nicht die ganze Wahrheit. Ich will weiter, viel weiter. Ich traue mich nur nicht, es zu verraten. Es klingt zu unglaubwürdig. Santiago ist schon weit, aber ich möchte noch weiter wandern. Ich werde es schaffen. Zeit und Geld sind vorhanden. Was kann mich aufhalten? Nichts. Draußen fällt Regen, drinnen meine Entscheidung: „Noch einen TL, bitte!“

Durch Deutschland muss ein Rucksack gehen

    Schwungvoll bringe ich den Rucksack in Position. Wir beide bilden jetzt wochenlang eine Einheit. Darum prüfe, wer sich ewig oder einige Zeit bindet den Rucksack um. Es bringt nichts, nur das Notwendigste einzupacken, wenn der Behälter nichts taugt. Es muss ein Rucksack mit gepolsterten Tragegurten und Hüftgurt sein. Die Gurte müssen auf die Größe des Trägers einstellbar sein. Neben der Mitnahme eingelaufener Schuhe ist ein optimaler Rucksack entscheidend für das Gelingen des Vorhabens. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, meinte ein Bundespräsident. Ich sagte mir: „Durch Deutschland wird ein Rucksack gehen.“
    Ich schlendere durch Freudenstein. Im Hoftor steht ein Blaumann. Um ein wenig zu plaudern, frage ich ihn, ob es hier etwas Bedeutendes gibt. Ja, die „Flippers“ kämen von hier. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war sicher, er würde mir einen Besuch des Klosters Maulbronn empfehlen.
    „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, so der Maulbronn-Schüler Hermann Hesse. Das Herz solle bereit sein zu Abschied und zu Neubeginn. Abschied nehmen fällt mir beim Wandern nicht schwer. Aber vom Leben? Ich hänge zu sehr daran. Heute ist mein 53. Geburtstag! Im Kloster wirkten einst Zisterziensermönche. Dass sich deren Leitspruch „Die Tür steht offen, mehr noch das Herz“ auch andere Menschen zu eigen machen, darauf hoffen die Pilger.
    In Ölbronn wirft sich mir die Besenwirtschaft „Spundloch“ in den Wanderweg. Ich habe Anlass zum Geburtstagsfeiern und kehre ein. Es gibt zwei Sorten Wein: weiß und rot. Aber allerlei zum Essen. Ich entscheide mich für Maultaschen, im Nudelteig verstecktes Kalbsbrät. Die Spezialität soll ihren Ursprung in Maulbronn haben - als Fastenspeise der Mönche, „Herrgottsbescheißerle“ genannt. Obwohl ich meinen Teller aufgegessen habe, ziehen bedrohlich dunkle Wolken heran. In Neulingen komme ich noch trocken an, doch dann prasselt es los. Kurz vor Pforzheim kann ich unter einem Scheunendach abwarten, bis das Schlimmste vorüber ist.
    2005 marschierten Pforzheimer nach Gernika, der Partnerstadt im Baskenland. Die Route ging über Le Puy und Roncesvalles. Mit ihrer
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