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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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über offenem Feuer drehendes Weidelämmchen. Und neulich bin ich mitten in der Nacht aufgewacht, weil er im Schlaf geredet hat. Mit glockenheller Stimme und einem Gesicht, als würde er gerade einem Engel begegnen, rief er erst: »Safran!«, und dann: »Pancetta!«
    Könnte sein, dass wir uns auch deshalb so gut verstehen. Vor die Wahl zwischen einem perfekt gebratenen Bisonsteak und einem Wochenende in Paris gestellt, würden wir beide keine Sekunde zögern.
    Es sei denn, jemand könnte uns versprechen, dass in dem hübschen Restaurant gegenüber dem Eiffelturm saftige Bisonsteaks serviert werden.
    Nicht dass uns der Eiffelturm dann noch interessieren würde.
    Wie dem auch sei. Mein Ablenkungsmanöver scheint auf alle Fälle zu funktionieren. Statt weiterzureden, widmet Georg sich nun voll und ganz seinem Braten. Ich habe ihm das noch nie gesagt, aber wenn man ihm beim Essen zusieht, kann man dabei drei unterschiedliche Phasen ausmachen. Phase eins: Er schließt die Augen, schnuppert, kostet, genießt vorsichtig die ersten Bissen. Phase zwei: Alle Hemmungen fallen, er schlingt, als würde er fürchten, dass ihm der Kellner das Essen wegzieht, bevor er fertig ist. Phase drei: Er kratzt so lange auf dem leeren Teller herum, bis nicht einmal mehr ein Tröpfchen Soße übrig ist. Im Augenblick befindet er sich in Phase 1: Er säbelt ein Stück Braten ab, nimmt es auf die Gabel und betrachtet es andächtig von allen Seiten. Er betrachtet es so intensiv, dass er den Blick nicht mehr davon abwenden kann und zu schielen anfängt, als er es sich in den Mund schiebt. Dann verdreht er die Augen verzückt gen Himmel und macht das Geräusch, das er immer macht, wenn ihn eine Welle des Wohlbefindens überschwemmt. Es klingt ein bisschen so, wie wenn Alf eine Katze sieht.
    Ich beschließe, dass dies exakt der richtige Zeitpunkt ist, um endgültig das Thema zu wechseln. Wenn es neben Essen und Trinken noch eine dritte Sache gibt, mit der man Georg ködern kann, dann ist das: Urlaub.
    »Hast du dir schon überlegt, wohin unsere Flitterwochen gehen könnten?«, frage ich ihn genau in dem Moment, in dem er sein nächstes Stückchen Schweinebraten anschielt.
    »Keine Ahnung«, schmatzt er und lässt den Braten von der rechten in die linke Backentasche wandern. »Indien?«
    »Indien?«, frage ich und schlucke ein Stück Kartoffel unzerkaut hinunter. »Was soll das heißen: Indien.«
    »Na ja, Goa, Kerala oder vielleicht auch Sri Lanka!«
    Ich bin so fassungslos, dass ich nicht einmal widersprechen kann. Dabei ist es gar nicht so, dass mich Georgs Vorschlag allzu sehr überraschen würde. Eigentlich schleppt er jedes Wochenende einen Reiseteil mit Fotos an, auf denen nur Türkis und Weiß und ein paar Kokosnüsse zu sehen sind. Sein Traumurlaubsziel besteht aus einer Hängematte, die zwischen zwei Palmen aufgespannt ist und von der aus man das Meer rauschen hört. Na ja, und aus einer nahe gelegenen Garküche, in der irgendwelcher Fisch in möglichst naturbelassenem Zustand auf einem dreckigen Kellerschachtgitter über einer brennenden Öltonne gegrillt wird. Beim Anblick eines perfekten Strandes vergisst er einfach alles, sogar seine Vorliebe für die Errungenschaften der mittel- und südeuropäischen Gastronomie.
    »Indien«, wiederhole ich und lasse das Besteck sinken.
    »Ja, es soll dort tolle Strände geben, türkisfarbenes Meer, herrliche Fische, und alles fangfrisch!«
    Sag ich doch!
    »Aber Indien ist ja doch ziemlich weit weg. Und sicher sind auch die Flüge sehr teuer!«, versuche ich, rationale Gründe ins Spiel zu bringen.
    »Quatsch. Das ist unsere Hochzeitsreise«, sagt er und schiebt sich noch einen Bissen zwischen die Kiefer. Er ist jetzt in Phase zwei angelangt, der Schling-Phase.
    Ich ahne, dass es nichts bringen wird, ihn daran zu erinnern, dass ich indisches Essen in erster Linie matschig und scharf finde, denn dann würde er mir wieder predigen, dass ich es nur nicht mag, weil ich noch kein ordentliches probiert habe. Deshalb versuche ich, ein Argument anzubringen, das bei Georg normalerweise so ziehen müsstewie eine Pfanne mit brutzelnden Bratkartoffeln und Speck:
    »Aber es gibt doch sicher gar keinen guten Wein in Indien!«
    »Trinken wir halt Bier«, sagt Georg ungerührt. Er hebt nicht einmal den Blick von seinem Teller. »Außerdem werden wir nach der Hochzeit vermutlich eh erst mal zwei Wochen lang keinen Schluck Alkohol runterkriegen.«
    Ich schweige. Eigentlich hatte ich mir den Verlauf dieses Gesprächs
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