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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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der Schneefall lässt nicht nach, es ist, als würde man nicht durch eine Windschutzscheibe gucken, sondern einen sehr, sehr alten Film. Meine Schuhe sind dreckverschmiert, meine Füße klamm, weil Georg darauf besteht, dass die Heizung mit ganzer Kraft gegen die Scheiben bläst und nicht dorthin, wo sie wirklich gebraucht wird. Hinzu kommt, dass er schon seit ungefähr zwei Stunden kaum noch mit mir spricht.
    »Karamellbonbon?«, frage ich hin und wieder und halte ihm die Tüte hin.
    »Ich muss mich konzentrieren!«
    Es sind unsere Lieblings-Karamellbonbons. Für die würde Georg normalerweise auch einen Umweg ans andere Ende der Stadt in Kauf nehmen.
    »Soll ich dich ablösen?«, frage ich pflichtschuldig und bin froh, als Georg den Kopf schüttelt. Ich merke, wie müde ich bin. Todmüde. Inzwischen strengt mich sogar das Kauen der Karamellbonbons an. Wir sind schon den ganzen Tag unterwegs.
    »Glaubst du, dass wir noch auf dem richtigen Weg sind?«, frage ich.
    »Woher soll ich das wissen, du wolltest doch kein Navi.«
    Ich ducke mich in meinen Sitz. Ich hatte völlig verdrängt, dass uns der Mann bei der Autovermietung noch ein Navigationssystem angeboten hat. Meine müde lächelnde Antwort war: »Danke, Kartenlesen beherrsche ich durchaus.«
    Reumütig packe ich ein Karamellbonbon aus, schiebe es Georg zwischen die Lippen und sage, dass es mir leidtut. Dass mir alles so leidtut.
    Das Bonbon nimmt Georg an. Was mit meiner Entschuldigung ist, weiß ich nicht. Mein Blick wandert zu dem leuchtenden Ziffernblatt am Armaturenbrett.
    »Noch vierzig Minuten.«
    »Scheiße.«
    »Soll ich nicht doch lieber in Beetzow anrufen und den Termin verschieben?«
    »Kommt gar nicht infrage.«
    Georg drückt aufs Gas, der Wagen gewinnt schlitternd an Tempo. Ich verkneife mir das erschreckte Quieken. Er macht ein Gesicht wie MacGyver bei einer Verfolgungsjagd.

    Die Sache ist nämlich die: Schloss Beetzow ist unsere letzte Hoffnung. Eigentlich liegt es schon fast ein bisschen zu weit von Berlin entfernt, mit dem Auto braucht man fast zwei Stunden, aber es ist nun mal die letzte Location auf unserer Liste, der letzte von insgesamt elf Orten, die ich aus dem Internet herausgesucht habe. Drei Tage habe ich damit verbracht, mich durch die Hotel-, Schlösser- und Gutshofverzeichnisse zu klicken, um mich schließlich auf das Gebiet nördlich von Berlin zu konzentrieren – Brandenburg und Mecklenburg, um genau zu sein. Die Gegend schien mir perfekt für unsere Hochzeit: massig alter Baubestand, I-a-Landschaft wegen Mecklenburgischer Schweiz und Seenplatte, Weiderinder und Müritz-Lämmer, nicht zu teuer, weil Ostdeutschland. Ich habe eine genaue Reiseroute festgelegt, Termine im Zwei-Stunden-Takt gemacht, Georg etwas von hübscher Spritztour vorgesäuselt und war mir sicher: Eines dieser gottverdammten Gutshäuser und Schlösser wird es sein.
    Die Enttäuschung setzte ein, als wir das dritte Schloss betraten, in dem sich statt alten Parketts und roten Teppichs ein kotzgrüner Linoleumboden durchs Foyer erstreckte. Es roch nach einem Gemisch aus Erbsensuppe und Behörde, über der Tür, die offensichtlich in die Verwaltungsräume führte, hing eine Wanduhr aus orangefarbenem Plastik, die mit dem Werbespruch einer Lkw-Spedition bedruckt war. Wir gingen ein paar Schritte hinein. Niemand zu sehen.
    »Ähem?«, machte ich.
    Nichts.
    »Hallo?«, fragte ich leise.
    Keine Antwort. Nur die Uhr über der Tür tickte.
    »Lass uns abhauen, bevor uns jemand sieht«, sagte Georg.
    In diesem Augenblick ging irgendwo im ersten Stock eine Tür. Wir erstarrten, drehten uns um und rannten durch den Schnee zurück zum Wagen.
    Als Nächstes besichtigten wir ein altes Gutshaus, das ganz in der Nähe lag. Mein Herz machte einen Sprung, als wir durch die Einfahrt bogen. In einem Verschlag hoppelten Kaninchen, eine Katze lief durch den Schnee, ihr hinterher ein Hund. Vor einem zweistöckigen Fachwerkhaus erwartete uns eine Frau mit Blümchenschürze und blauem Kopftuch. Ein Idyll wie aus »Der Landarzt«. Glücklich gingen wir der Frau entgegen, sie begrüßte uns herzlich und stellte sich vor.
    »Holler mein Name, Elli Holler.«
    Wir strahlten und hätten fast vergessen, ebenfalls unsere Namen zu sagen.
    »Das sind die Gästezimmer«, sagte sie, als wir das große Nebengebäude betraten. »Hier kriegen wir vierzig Leute unter, hinten in die Scheune passen noch einmal sechzig rein. Sie können auch zelten, wenn Sie wollen, wir sind da völlig frei.«
    Sie führte
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