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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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warum ich überhaupt noch versuche, sie abzuwürgen.
    »Ach, nichts Neues. Georg und ich nehmen nächste Woche ein paar Tage frei, wir wollen uns in Brandenburg oder Mecklenburg nach einer Location umsehen.«
    »Mecklenburg?« Sie ringt nach Luft. »Warum nicht Katowice?«
    Ächz. Wusste ich’s doch.
    »Ach, Mama, in Polen zu heiraten, weißt du, das wird vielleicht ein bisschen kompliziert …«
    »Das ist doch nicht kompliziert! «
    »Aber wir können kein Polnisch, wie sollen wir das denn alles organisieren?«
    » Ich kann organisieren.«
    »Mama!«
    »Warum denn nicht? In Polen werden Hochzeiten immer von den Müttern organisiert!«
    » Mama!! Wir heiraten nicht in Polen!«
    »Dann eben in München!«
    »Bleibst du mal eben kurz dran?«, sage ich mit liebenswürdiger Stimme, dann drücke ich die Stummschaltetaste am Telefon.
    »Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!«, kreische ich, so laut ich kann. So. Besser.
    »Mama?«
    »Was war denn?«
    »Ach, nichts. Weißt du, Mama, das Problem ist: Wenn wir in München heiraten, dann sind Georgs Eltern sauer, und das wollen wir doch nicht?«
    »Ach«, sagt sie spitz. »Auf Georgs Eltern wollt ihr Rücksicht nehmen und auf uns nicht.«
    Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!
    »Mama!!!«
    »Ich muss jetzt aufhören«, sagt sie. »Bis bald.«
    Und weg ist sie. Na toll. Jetzt ist sie beleidigt. Mist.
    Ich atme durch und versuche, mich wieder auf den Text zu konzentrieren. Eine halbe Stunde später lese ich mir das Resultat durch.
    Glück braucht Zeit, denn es schlummert in jenem kurzen Moment, in dem wir uns vollkommen lieben, weil Körper und Seele in Harmonie zueinander gefunden haben. Mit unserer neuen Lait Rafraîchissant Perfumé liegt das Glück in Ihrer Hand.
    Eigentlich ganz gut. Eigentlich … ach Scheiße, warum sind Eltern so! Ich nehme das Telefon und wähle ihre Nummer.
    Es klingelt.
    Niemand geht ran.

[Menü]
    Noch dreieinhalb Monate …
    Alles ist weiß. Ich meine wirklich: weiß. Vor uns, hinter uns, neben uns. Trotz der Dunkelheit. Und still ist es. Ganz still. Still, bis auf das Heulen des Gebläses. Hin und wieder höre ich Georg fluchen, Flüche, die im Schneesturm untergehen. Die Scheinwerfer leuchten keine zwei Meter weit, sie strahlen nur die dicken Flocken an, die uns neurotisch entgegentänzeln.
    »Fuck!«
    Georg tritt auf die Bremse. Wir schlittern, kommen von der Straße ab, nein, doch nicht, aber es war knapp.
    »Dann fahr halt endlich langsamer!«, keife ich und kralle mich an der Straßenkarte auf meinem Schoß fest. »Außerdem kann ich sonst die Schilder nicht lesen!«
    »Welche Schilder?«, bellt er zurück. »Und überhaupt, ich fahre nicht mal zwanzig.«
    Er hat recht. Die Kurve war einfach nicht zu sehen gewesen, und seit ein paar Stunden sind auch die Straßenschilder nicht mehr lesbar. Alles ist überschüttet mit Unmengen Weiß, Weiß, Weiß. Scheiße. In einer Stunde ist unser Besichtigungstermin in Schloss Beetzow, aber wir haben keine Ahnung, wie weit es noch ist bis dorthin. Wir wissen nicht einmal, ob wir überhaupt noch in die richtige Richtung fahren. Wir wissen gar nichts mehr, außer dass es seit zwei Tagen wie verrückt schneit.
    Es hat genau in dem Moment angefangen, als wir vom Parkplatz der Autovermietung auf die Straße gerollt sind. Ich hatte Georg eine gemütliche Spritztour durch den Nordosten Deutschlands versprochen, Locations angucken, in Schlosshotels essen. Und nun das.
    Der freundliche Mann in der orangefarbenen Kluft der Autovermietung hatte noch gefragt, ob wir nicht lieber einen Wagen mit »wintertauglicher Bereifung« nehmen wollen.
    »Es soll einen Wintereinbruch geben.«
    »Wintereinbruch, papperlapapp«, habe ich geantwortet. »Ich bin Münchnerin, ich hab mit Sommerreifen schon die Alpen überquert.«
    Ich hatte daran gedacht, dass wir durch Mecklenburg-Vorpommern fahren würden, ein Landstrich, der nicht eben bekannt dafür ist, dass sich dort Filmteams um Drehgenehmigungen für Weihnachtsproduktionen prügeln. Außerdem wollte der Halsabschneider für die »wintertaugliche Bereifung« sechzehn Euro Aufpreis – pro Tag.
    Als wir vom Parkplatz fuhren und die ersten Flöcklein vom Himmel trudelten, machte Georg den Vorschlag, den Wagen vielleicht doch lieber noch zu tauschen.
    »Ach komm«, habe ich gesagt. »Schnee in Meck-Pomm ist nicht gerade das, was wir in Bayern Schnee nennen.«
    Jetzt hasse ich meine blöde bajuwarische Arroganz. Schon wieder schliddern wir um eine Kurve,
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