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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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AStA veröffentlicht hat.
    »Komm rein, Kris!«
    Kris. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Kristin hasst die Verniedlichung von Namen, sie findet, dass man damit auch den Menschen klein macht, den man so nennt. Sie würde sogar Hape Kerkeling Hans-Peter nennen. Immerhin nenne ich sie Kris, und nicht Krissi oder Tini.
    Ich versuche, ihr finsteres Gesicht zu übersehen, und gehe mit ihr in die Küche.
    Sie spricht kein Wort, während ich mit der Espressomaschine hantiere. Erst, als ich mich zu ihr setze und die dampfenden Tassen vor uns stehen, sieht sie mir eiskalt ins Gesicht.
    »Warum, Charlotte?«, fragt sie und klopft mit dem Löffel auf den Tisch.
    Ich ziehe die Schultern hoch und grinse debil.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen, nur, weil da auf einmal ein Mann ist, der dich Liebste nennt und dir im Sekundentakt Küsschen gibt?«
    »Nein, natürlich nicht …«
    »Charlotte, es geht nicht nur darum, dass es Schwachsinn ist zu heiraten, es geht auch darum, dass die Ehe einSymbol ist, ein Symbol für die knallharten ökonomischen Realitäten dieser Welt, dafür, dass die Frau weltweit ausgebeutet wird. Die Ehe ist zu nichts anderem da, als das zu organisieren.«
    »Aber Kristin, ich werde mich nicht ausbeuten lassen. Ich werde weiter arbeiten, weiter Geld verdienen …«
    »Und nebenbei werden sich die Rollen verschieben. Georg hat gerade einen riesigen Karriereschritt gemacht, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die kapitalistische Ökonomie vor dir als Freiberuflerin haltmacht? Dass es ausgerechnet dir erspart bleibt, dass die unproduktive, häusliche Arbeit sich um dich zentriert?«
    »Was? Kristin, du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass ich plötzlich zum hirnlosen Heimchen werde – bloß weil ich einen Ring am Finger habe?«
    »Charlotte! Was denkst du denn, warum es so etwas wie das Ehegattensplitting gibt?«
    »Damit man ein bisschen Steuern spart?«
    »Träum weiter!«
    Kristin löffelt wütend eine erstaunliche Menge Zucker in ihren Kaffee, rührt geräuschvoll um, nimmt einen Schluck und stellt die Tasse angewidert zurück auf den Tisch.
    »Das Ehegattensplitting fördert die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung auch noch steuerlich. Je größer der Unterschied zwischen zwei Einkommen, desto größer der steuerliche Gewinn. Das Ziel der Sache dürfte klar sein: Die wollen, dass es sich nicht mehr lohnt, wenn die Frau einen Job hat. Und warum? Damit sie brav kleine, neue Rentenbeitragszahler gebiert. Und am Ende spart der Staat dabei auch noch.«
    »Was soll der Staat denn dabei sparen?«
    »Solange das Subsidiaritätsprinzip gilt, hat eine verheiratete Frau nur dann Anspruch auf staatliche Unterstützung,wenn ihr Mann nicht in der Lage ist, sie zu versorgen. Womit die Abhängigkeit der Frau rechtlich festgeschrieben ist.«
    »Kristin …«
    »Außerdem wird in der Ehe die sexuelle Verfügbarkeit der Frau gesellschaftlich organisiert, nach dem Muster von Monogamie …«
    »Kristin …«
    »… und Heterosexuali…«
    »Kris!«
    »Was ist?«
    »Kristin, ich liebe Georg wirklich. Ich hatte mein Leben lang Angst davor, mich zu binden, und immer, wenn ich mit einem Mann zusammen war, hatte ich genau dieses Gefühl, dass ich mich abhängig mache und meine Freiheit verliere. Aber jetzt, wo ich mit Georg zusammen bin, fühle ich mich plötzlich freier, als ich es je gewesen bin. Weißt du, früher hab ich versucht, alte Rollen aufzubrechen, und hab dabei doch wieder nur Rollen gespielt. Bei Georg kann ich einfach so sein, wie ich bin.«
    Kristin sieht mich komisch an, nicht böse, nicht misstrauisch, eher so, als hätte ich ihr von einem Land erzählt, von dem sie nicht wusste, dass es existiert. Dann seufzt sie erschöpft und sehr, sehr tief.
    »Komm her«, sagt sie, nachdem sie mich einen Moment lang nachdenklich angesehen hat. Ich gehe auf sie zu, sie steht auf und drückt mich an sich. »Ich bete, dass das, was du da sagst, auch tatsächlich stimmt.«
    »Ich bin glücklich, Kris, wirklich.«
    Sie lässt mich los, nimmt meine Hände in ihre und drückt und reibt und knetet sie.
    »Mehr will ich doch gar nicht«, sagt sie.
    Ein paar Augenblicke lang stehen wir einfach nur so inder Küche und sehen uns an. Dann setzt sie sich hin und schlägt die Beine übereinander.
    »Aber kein Theater machen, ja?«
    »Was meinst du?«
    »Na ja, man kann das ja immer wieder beobachten, dass Frauen, die heiraten, plötzlich zur Braut mutieren und völlig durchdrehen und dann anfangen, mit einem total
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