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Heimstrasse 52

Heimstrasse 52

Titel: Heimstrasse 52
Autoren: Selim Oezdogan
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dem Modell, das beim Kaufmann stand, kniehoch und rund und glänzend. Und darauf würde er die Latten setzen, genauso wie er es sich abgeguckt hatte. Doch das Kopfteil sollte keine so geraden Stäbe wie Gefängnisgitter haben, sondern geschwungene, wie rankende Rosen.
    Er arbeitete fast bis Mitternacht in der Schmiede, und als er schließlich auf seiner Matratze lag, schloß er zufrieden die Augen. Ein Stück vom Mond.
     
    Fatma und Timur schliefen in ihrer Hochzeitsnacht zum ersten Mal in einem richtigen Bett. Beide hatten, nachdem sie das Zimmer betreten hatten, kein einziges Wort mehr gesagt. Doch als Timur später kurz vor dem Einschlafen war, murmelte Fatma:
    – So schlafen also die Könige.
    Und Timur war nicht nur stolz, sondern auch verwundert, |289| wie genau die Worte das trafen, was er gerade selber empfand. Er fühlte sich reicher, mächtiger, beschützter, er fühlte sich groß genug, um die Welt zu beherrschen.
     
    Es war Frühling, sie waren frisch verheiratet, Timur hatte genug Arbeit in der Schmiede, sie hatten Geld, Fatma brachte ihm jeden Mittag etwas zu essen, und dann saßen sie ein wenig zusammen und redeten, redeten, bis es für Fatma Zeit wurde, zu gehen, und für Timur, weiterzuarbeiten. Das Essen stand meistens noch unangerührt da, aber Fatma wußte, Timur würde es bis zum Abend gegessen haben, und er würde wieder Hunger haben, wenn er nach Hause kam, er war ein großer Mann, der hart arbeitete. Es war Frühling, sie hatten ein eigenes Zimmer im Haus, das Timurs Mutter von ihrem Mann geblieben war.
    Und so fingen die Probleme an. Zeliha sah, wie sich ihr Sohn um diese junge Frau kümmerte, um dieses Mädchen, wie er ihr fast jeden Abend eine Kleinigkeit mitbrachte, ein Stück Stoff, damit sie sich etwas nähen konnte, einen Sesamkringel, ein neues Kopftuch, manchmal auch Süßigkeiten oder ein Stück Schokolade. Zeliha sah, wie ihr Sohn die Nähe ihrer Schwiegertochter suchte, wie verliebt er war und wie er sie umsorgte.
    Eines Abends, es war schon Sommer, zog sie ihn beiseite:
    – Deine Frau, sie ist faul, sie erfindet Ausreden, um nicht im Haus helfen zu müssen. Heute ist ihr Knöchel verstaucht, und morgen hat sie Magenschmerzen. Und wenn sie etwas tut, dann gibt sie sich keine Mühe. Am letzten Waschtag hat sie sich an den Waschtrog gesetzt und zwei Stunden lang nicht einmal das Wasser gewechselt. Sie hat unsere Wäsche mit dem schmutzigen Wasser gewaschen.
    – Warum hast du nichts gesagt?
    – Das habe ich. Sie hat aufgestöhnt und behauptet, sie hätte das Wasser gewechselt. Sie hat sogar aufgestöhnt. Du solltest ihr etwas mehr Respekt beibringen.
    |290| – Mutter, du hattest doch gesagt, sie sei fleißig und zuverlässig.
    – Da habe ich mich wohl vertan, sie ist faul und respektlos.
    Abends im Bett erzählte Timur seiner Frau, daß seine Mutter sich beschwert hatte. Und Fatma sagte mit leiser Stimme:
    – Ich mache wirklich alles, was ich kann. Ich strenge mich an, aber deine Mutter … ist manchmal ungerecht, glaube ich.
    Die Beschwerden häuften sich: Fatma schnitt den Käse falsch, sie schnitt die Spüllappen entzwei, wenn sie Messer abwusch. Wenn sie rausging, lief sie absichtlich wie eine Ente, damit sie noch vor dem Winter neue Schuhe bekäme, sie schmierte sich die Butter zu dick auf das Brot, und Timur begriff langsam das Problem.
    – Hör mal, sagte er eines Abends zu Fatma, hör mal, ich glaube, ich weiß, was wir tun können. Das nächste Mal, wenn meine Mutter sich beschwert, dann ziehe ich dich hier ins Zimmer, und ich schlage auf die Sitzkissen und brülle ein wenig herum, und du schreist auf wie vor Schmerz, dann gehe ich raus, und du bleibst noch ein wenig drinnen.
    Jedesmal, wenn Zeliha sich bei ihrem Sohn über ihre Schwiegertochter beschwerte, gingen die beiden nun in ihr Zimmer, und kurz darauf hörte man Schläge und Schreie. Die Beschwerden wurden immer seltener.
    Timur erzählte seinen Freuden begeistert von diesem Trick, und sie lachten gemeinsam, stießen an und tranken. Und als der Herbst zu Ende ging, wußte es die ganze Stadt.
    – Wir müssen uns etwas Neues ausdenken, sagte Timur, als sie eines Abends nebeneinander auf der Matratze lagen. Das Bettgestell hatten sie verliehen, eine entfernte Verwandte Timurs hatte geheiratet, und auch sie wollte ihre Hochzeitsnacht in einem richtigen Bett verbringen. Um dieses Bett, dessen Füße er mit Messing verziert hatte, beneideten den Schmied selbst die Reichen.
    – Wir könnten doch fortgehen, sagte
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