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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden
Autoren: Ulrike Draesner
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seine Akten. Bereits am zweiten Tag entdeckte Schädlich unter den Spitzeln der Staatssicherheit jemanden, den er sehr gut – ein ganzes Leben lang – kannte oder zu kennen geglaubt hatte: Hinter »IM Schäfer« verbarg sich sein älterer Bruder Karlheinz. Schädlich informierte die Familie. Abends rief er Karlheinz an. Der darauf gesetzt hatte, alle Unterlagen wären vernichtet. Am 23. Januar trafen sich die Brüder am S-Bahnhof Bellevue.
    11.00 Uhr morgens, winterliche Kälte. Sie gehen auf dem Bahnsteig auf und ab. Sie sprechen.
    Wie macht man mit solch einer Erfahrung weiter im eigenen Leben, mit den eigenen Erinnerungen, mit der Notwendigkeit und dem Bedürfnis, anderen zu vertrauen?
    Hans Joachim Schädlich, geboren im Vogtland, hatte in Leipzig und Berlin studiert und in der Akademie der Wissenschaften der DDR gearbeitet, bis er 1976 den Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns unterschrieb. Seine Prosa wurde bereits vor diesem Datum nicht gedruckt. Seit 1974 nahm er regelmäßig an versteckten Treffen ost- und westdeutscher Schriftsteller in Ostberlin teil. 1977 siedelte er mit seiner Familie nach Westdeutschland aus. Gefühle der Entwurzelung, des Verlustes, der Heimatschwierigkeit begleiten ihn.
    Als Autor ist Schädlich listig; er erzählt ökonomisch, mit doppelten Böden, mit Witz. In aller Knappheit versteht er es, weite geschichtliche Räume zu öffnen. Das 20. Jahrhundert und die dubiosen Künste der Geschichtsschreibung treiben auf intelligente Weise Spuk und Schabernack mit seinen Figuren, seinen Lesern und ihrem Autor. Entwurzelt? Nie verwurzelt? Ein von den Folgen der Kriege, insbesondere des Kalten Krieges, heiß und kalt geprägtes Leben.
    Der Bruder, Karlheinz, erschoss sich im Dezember 2007 auf einer Parkbank in Berlin.
    Schädlich lebt heute in seinem vierten deutschen Staat.
    Weiterführende Lektüre
    Hans Joachim Schädlich, Die Sache mit B (Erzählung)
    Susanne Schädlich, Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich
    Jean Echenoz, Laufen

Gerd-Peter Eigner
    (1942)

    © Isolde Ohlbaum
    Malapane heißt sein Geburtsort, der, wider Erwarten, nicht in Italien liegt (wonach er klingt), sondern in Oberschlesien (heute Ozimek/Polen). Als Eigner dort im Dezember 1942 zur Welt kommt, geht die Welt unter: Stalingrad, Endkrieg, Flucht. Der Nachname der Familie lautet Sobzcyk, wird aber anlässlich des Eintrages des Neugeborenen ins Geburtenregister übersetzt in das deutsche Eigner .
    Den Vater, einen Bahnhofsvorsteher, erschießen im Januar 1945 russische Soldaten. Die Mutter flieht kurz zuvor mit Eigner und seiner Schwester Richtung Westen. Eigner erinnert sich an Bilder von übermächtigem Feuer und Rauch. Es kann, sagt er, nur das brennende Dresden gewesen sein.
    Er wächst in Wilhelmshaven auf, flieht früh aus Deutschland. Fragezeichen ringsum: Reisen, Suche, Politik. Kreta, Toulouse, Formentera, doch wieder Bremen, Paris, Rom, Berlin und Olevano. Fragezeichen ringsum: Heimat, Deutschland, Männlichkeit. Olevano ist ein kleiner gebirgiger Ort nördlich von Rom; heute lebt Eigner dort und in Berlin. Man kann mit ihm fachkundige Diskussionen führen über das Keltern und Pressen von Olivenöl, über den Einbau und Verlust von Küchen, sprich: kann sprechen mit ihm über Frauen und Männer, über die Pressungen an Menschen, über Stürze und Gleichgewicht. Er ist ein Erzähler, immer, lebhaft, allem Sinnlichen zugewandt, ein Sprachrhythmiker und -genießer, in dessen Romanen wie Hörspielen sich Innen- und Außenwelten funkend aneinanderreiben, zur Freude und zum Nutzen des ein- und untertauchenden Lesers.
    Weiterführende Lektüre:
    Gerd-Peter Eigner, Nachstellungen I und II, Essays
    die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, Band 237 (mit einem Schwerpunkt zu Gerd-Peter Eigner) und Band 244 (mit Gedichten des Autors)

Gerhard Falkner
    (1951)

    © Lina Falkner
    Er erscheint und ist wieder fort. Sitzt in Bayern in den Tiefen des Waldes. Oder plötzlich am Bosporus. Arbeitet. Schreibt Gedichte, ärgert sich. Beobachtet, entdeckt, empört sich. Ist da, in Berlin, sieht an, wie man sich bewegt. Und sich begegnet. Schreibt. Liest. Schreibt. Einer, von dem man den Eindruck hat, dass er sich immer noch etwas Drittes und Viertes denkt. Bei sich. Falkner, heißt es, kenne sich mit Vögeln aus. Sozusagen dem Namen geschuldet. Kennt sich aus, zeigen die Texte, mit (Bild)Grammatiken, Philosophie, Musik. Bewegt sich in Spannungen, zeigen die Texte, strahlt das auf uns aus.
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