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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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bombardiert wurde. Und wieder wußte ich, wenn auch diesmal auf andere Weise. Ich wußte, wenn ich in diesem Krieg kämpfte, würde ich sterben. Ich wußte auch, daß ich da ehrenvoll raus mußte, um sicher bei der Polizei unterzukommen.
    Meine Eltern hab ich nie gekannt. Meine ersten Adoptiveltern gaben mir meinen Namen, bevor sie mich ins Waisenhaus steckten. Ich dachte mir einen Plan aus. Ich studierte die Musterungsgesetze und fand heraus, daß der einzige überlebende Sohn eines Mannes, der in einem Krieg außerhalb des Landes getötet wurde, nicht einberufen werden kann. Ich wußte auch, daß ich ein geplatztes Trommelfell hatte, was ein möglicher Hinderungsgrund war, aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen. Also versuchte ich 1942, mich direkt nach dem Abschluß der Oberschule freiwillig zu melden. Das mit dem Trommelfell kam raus, und sie lehnten mich ab.
    Dann fand ich eine alte Stadtstreicherin, eine abgehalfterte Schauspielerin. Sie ging mit mir zur Berufungsverhandlung bei der Musterungsbehörde. Sie tobte und schrie, daß sie mich brauchte, daß ich arbeitete und für sie mitverdiente. Sie sagte, ihr Ehemann, mein Vater, wäre 1926 im China-Feldzug gefallen, deswegen wäre ich ins Waisenhaus gekommen. Sie hatte ihre Sternstunde. Ich gab ihr fünfzig Dollar. Die Musterungsbehörde glaubte ihr und sagte mir, ich solle ja nicht wieder versuchen, mich zu melden. Ich probierte es gelegentlich noch ein paarmal, aber die blieben hart. Sie bewunderten meinen Patriotismus - aber Gesetz war Gesetz, und ironischerweise hat das geplatzte Trommelfell mich nie davon abhalten können, Cop zu werden.«
    Sarah liebte meine Geschichte und seufzte, als ich fertig war. Ich liebte sie auch. Ich hatte sie aufgehoben für die eine besondere Frau, eine, die sie schätzen würde. Abgesehen von Wacky war sie der einzige Mensch, der diesen Abschnitt meines Lebens kannte.
    Sie legte ihre Hand auf meine. Ich führte sie an die Lippen und küßte sie. Sarah sah nachdenklich und traurig aus. »Hast du gefunden, was du suchst?« fragte sie.
    »Ja«, sagte ich.
    »Gehst du mit mir an dem Penner-Dschungel vorbei? Heute abend?«
    »Dann laß uns gleich gehen. Die sperren die Straße durch den Park um zehn Uhr ab.«

    Es war eine kalte und sehr klare Nacht. Der Januar ist der kälteste, schönste Monat in Los Angeles. Die Farben der Stadt sind von kalter Luft durchdrungen, verselbständigen sich und spiegeln eine Ahnung von Wärme und Ruhe wider.
    Wir fuhren die Vermont Avenue hinauf und parkten bei der Sternwarte. Händchenhaltend gingen wir den Berg hinauf in Richtung Norden. Wir unterhielten uns ganz ungezwungen, und ich brachte die eher angenehmen, pittoresken Seiten der Polizeiarbeit ins Gespräch: die freundlichen Säufer, die farbenprächtigen Jazzmusiker in ihren grell gestreiften Anzügen, die verlorengegangenen kleinen Hunde, die Wacky und ich ihren jungen Besitzern zurückbrachten. Ich erzählte ihr nichts von den Vergewaltigungen, den mißbrauchten Kindern, den Unfalltoten oder den mutmaßlichen Schwerverbrechern, die regelmäßig in den Hinterzimmern des Wilshire-Reviers durchgewalkt wurden. Das brauchte sie nicht zu hören. Idealisten wie Sarah glaubten trotz ihrer Naivität, daß die Welt im Grunde beschissen sei. Ich mußte ihren Wirklichkeitssinn ein wenig mit heiteren und spannenden Geschichten einnebeln. Sie würde keineswegs akzeptieren, daß die Dunkelheit ein Teil des Vergnügens ist. Ich mußte sie einnebeln, wie es in Hollywood üblich ist.
    Ich zeigte ihr den alten Dschungel. Ich war seit 1938 nicht mehr dagewesen, dreizehn Jahre, jetzt war es nur eine Lichtung, von Unkraut überwuchert und mit leeren Weinflaschen übersät.
    »Hier fing alles für dich an?« fragte Sarah.
    »Ja.«
    »Die Zeit und dieser Ort machen mir Angst.«
    »Mir auch. Heute ist der 30. Januar 1951. Heute und nie wieder.«
    »Das erschreckt mich.«
    »Hab keine Angst. Das ist bloß das Wunder. Es ist sehr dunkel hier. Hast du Angst vor der Dunkelheit?«
    Sarah Kefalvian hob ihren schönen Kopf und lachte im Mondlicht. Ein großes, herzhaftes Gelächter, ihrer armenischen Vorfahren würdig. »Tut mir leid, Joe. Nur, daß wir hier so melancholisch und in Symbolen reden, das ist irgendwie komisch.«
    »Dann nehmen wir uns jetzt beim Wort. Ich habe dir vertraut. Du vertraust mir. Erzähl mir was von dir. Etwas Dunkles und Geheimnisvolles, das du noch niemandem erzählt hast.«
    Sie dachte darüber nach und sprach: »Es wird dich schockieren. Ich
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