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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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Rezeption. Der Mann am Empfang sagte mir, daß die Gäste, die wegen des Kongresses des Amerikanischen Anwaltsvereins hier seien, sich auf einem Bankett im Galleon-Saal befänden. Er wies auf einen großen Festsaal zu seiner Linken. Ich rannte hinein und sah einen ernst dreinschauenden Mann am Rednerpult, der verschwommen über etwas redete, das manche Gerechtigkeit nennen.
    Ich ging alle vier Wände entlang und sah mir jedes verzückte und gelangweilte Gesicht an. Keine Lorna dabei. Am hinteren Ende des Saals war ein Ausgang, und den steuerte ich an, in der Hoffnung, durch ihn zu einem Fahrstuhl zu gelangen, der mich ins eigentliche Hotel brächte.
    Ich war gerade durch die Tür in einen Gang gelangt, da kam Lorna aus der Damentoilette gehumpelt und unterhielt sich mit einer anderen Frau. »Ich bin nur wegen des Essens hier, Helen«, sagte sie. Helen bemerkte mich zuerst und mußte gespürt haben, daß etwas los war, denn sie stupste Lorna in die Seite, die sich umdrehte, mich sah, ihre Tasche fallen ließ und ihren Stock und sagte: »Freddy, was zum -«
    Helen sagte: »Entschuldige mich bitte, Lorna«, und verschwand von der Bildfläche.
    Ich lächelte und sagte: »Telefonieren hat mir noch nie gefallen, Lorna.«
    »Du Wahnsinniger. Was ist mit dir passiert? Du hast dich verändert.«
    »In jeder Hinsicht.«
    Ich bückte mich und gab Lorna Stock und Tasche. Ich umarmte sie spontan und sagte: »Es ist vorbei, Lorna, es ist vorbei.« Ich packte sie an den Hüften, hob sie hoch und hielt sie über meinen Kopf, bis sie kreischte: »Freddy, laß mich runter, gottverdammt!«
    Dann hielt ich sie noch höher und warf sie in die Luft, so daß sie beinahe an die Decke stieß.
    »Freddy, gottverdammt, Freddy, bitte!«
    Ich setzte meine Frau auf dem üppigen Teppichboden ab. Sie hielt sich immer noch an meinem Hals fest, sah mir ernst in die Augen und sagte: »Es ist also vorbei. Und jetzt?«
    »Wir sind da, Lorna. Und da ist da noch ein großer kleiner Junge, der uns braucht. Er ist jetzt bei deinem Vater.«
    »Welcher große -«
    »Er ist Maggie Cadwalladers Sohn. Mehr werd’ ich dir dazu nicht sagen. Ich möchte dich wiederhaben, aber ohne ihn kommen wir nicht weiter.«
    »O Gott, Freddy.«
    »Du kannst einen Juristen aus ihm machen, und ich kann ihm alles beibringen, was ich weiß.«
    »Ist er Waise?«
    »Ja.«
    »Da gibt’s ’ne Menge Formalitäten, Freddy.«
    »Scheiß auf die Formalitäten; er braucht uns.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    »Ich schon. Ich möchte dich wiederhaben.«
    »Warum? Glaubst du, es wird diesmal anders sein?«
    »Ja. Ich weiß es.«
    »O Gott, Freddy!«
    »Wir können nie sicher sein, außer, wir versuchen es.«
    »Das ist wahr, aber ich weiß einfach nicht! Außerdem muß ich noch zwei Tage hier auf diesem Kongreß bleiben.«
    »Wir können nie sicher sein, außer, wir versuchen es.«
    »Es ist ein Unentschieden, Freddy.«
    »War es immer, Lorna.«
    Lorna faßte in ihre Tasche und zog ihre Schlüssel heraus. Sie machte die Schlüssel für das Haus im Laurel Canyon ab und gab sie mir. Sie lächelte und wischte sich Tränen aus den Augen. »Wir können nie sicher sein, außer, wir versuchen es«, sagte sie.
    Wir hielten uns einige Minuten lang eng umschlungen, bis wir Applaus hörten, der aus dem Festsaal kam.
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte Lorna, »ich bin in ein paar Minuten dran.«
    »Wir sehn uns zuhause.«
    »Ja.«
    Wir küßten uns, und Lorna faßte sich, öffnete die Tür und ging in den Festsaal, aus dem ausklingender Beifall für den letzten Redner ertönte.
    Als sie zum Rednerpult hinkte, mußte ich an Wacky Walker denken und an das Wunder, an das Land der Toten und den verrückten Dudley Smith, an den armen Larry Brubaker, die Waisen und an die Risse in meinem ehemals reinen Herzen. Dann dachte ich an die Erlösung, stieg in meinen Wagen und fuhr zurück nach Los Angeles.
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