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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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ihn verhört hatten. Ich zeigte mit dem Pistolenlauf auf die Schachtel, die zwischen uns lag.
    »Mach sie auf und lies die ersten zehn Seiten«, sagte ich.
    Brubaker zögerte, dann stürzte er sich darauf; offensichtlich wollte er es schnell hinter sich bringen. Ich sah zu, wie er eilig die Seiten durchlas, auf die ich Anmerkungen geschrieben hatte; mit zitternden Händen legte er jede beiseite und las weiter. Nach zehn Minuten hatte er kapiert und fing hysterisch an zu lachen, aber mit einem, wie es schien, ironischen Unterton.
    »Mann, Mann, Mann, Mann«, sagte er. »Mann, Mann, Mann.«
    »Schon mal jemand umgebracht, Larry?« fragte ich.
    »Nein«, sagte Brubaker.
    »Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen Doc Harris getötet hat?«
    »Unmengen«, sagte Brubaker.
    »Du bist ein sarkastischer Hund. Möchtest du diese Geschichte überleben oder mit Doc weggeblasen werden?«
    »Ich hab Doc 1944 einen geblasen, Mann. Eddie auch, und Johnny DeVries. Nur um unseren Pakt zu besiegeln, verstehst du. Mir machte das nichts aus: Doc war ein Prachtkerl. Eddie machte das nichts aus, der stand auf Frauen und Männer. Aber Johnny hat es fertiggemacht, kein Witz. Es gefiel ihm, und dafür haßte er sich bis ans Ende seiner Tage.«
    »Wer hat ihn umgebracht?«
    »Doc. Doc liebte ihn auch. Aber Johnny redete zuviel. Er setzte seinen Anteil von dem Stoff nie ab. Er verschenkte ihn an alle Junkies in Milwaukee. Dann fing er an, vom Aufhören zu reden. Wir waren befreundet. Er rief mich an und sagte, er möchte, daß ich seinen Stoff für ihn aufhebe, bis er wieder aus dem Krankenhaus käme. Er wollte aufhören, wollte aber nicht auf das Geld verzichten, das er damit verdienen konnte, verstehst du?«
    »Verstehe. Also hattest du Angst, daß er quatschen würde, wenn er sauber wäre, und dich mit reinziehen würde, und dann hast du mit Doc geredet.«
    »Stimmt, ich hab’ mit Doc geredet, und Doc hat sich der Sache angenommen.«
    Es gelang Brubaker, seinen Stolz zu bewahren, obwohl er seine Unterwürfigkeit und seinen Selbsthaß deutlich akzeptiert hatte. Ich wußte wirklich nicht, ob er mit dieser Vergangenheit weiterleben oder sterben wollte. Ich konnte nur weiter Fragen stellen und hoffen, daß seine Abgeklärtheit anhielt.
    »Was geschah mit dem Rest des Zeugs, Larry?«
    »Doc und ich setzen es um, in kleinen Portionen. Seit Jahren.«
    »Erpreßt er dich?«
    »Er hat Fotos von mir und einem Stadtrat in einer, wie man sagen könnte, kompromittierenden Stellung«, lachte Brubaker. »Ich hab’ den Stadtrat und Eddie zusammengebracht. Eddie war auf Status versessen, der Kerl liebte Status und Pferde, und dieser Stadtrat hatte beides. Doc machte auch von den beiden ein paar Fotos, aber der Stadtrat hat’s nie gewußt. Eddie aber - so hat Doc ihn dazu gebracht, den Kopf für Maggie hinzuhalten.«
    Ich fing an zu zittern. »Doc hat Maggie umgebracht?«
    »Ja, Mann, hat er. Ihr hattet den Falschen, als ihr Eddie eingelocht habt. Aber du hast geblecht, Mann. Komisch, Mann, du siehst gar nicht wie ’n Roter aus.« Brubaker lachte, diesmal mir ins Gesicht.
    »Warum?« fragte ich. »Warum hat er das getan?«
    »Warum? Nun, Maggie lebte hier in L.A. Und keiner von uns Matrosen kannte sie. Ihre Mutter schrieb ihr, daß Johnny in Milwaukee aufgeschlitzt worden wäre. Zufällig traf sie Eddie irgendwo und platzte mit allem raus. Eddie erzählte es Doc, und Doc sagte ihm, er solle sie anmachen und bumsen und nicht aus den Augen lassen. Dann wurde Doc langsam nervös. Eines Abends lieh er sich Eddies Auto, fuhr in Maggies Wohnung und erwürgte sie. Es war alles eingefädelt -Doc wußte, daß er mir immer trauen konnte, aber bei Eddie war er sich nicht so sicher. Er wußte, daß es Eddie rasend machte, wenn jemand wußte, daß er schwul war; lieber wäre er gestorben, als daß es seine Familie hätte erfahren dürfen; also zeigte Doc Eddie die Bilder von ihm und dem Stadtrat, und das war’s dann. Entweder würden die Bullen nie herausfinden, wer Maggie erwürgte - was ganz prima wäre - oder aber Eddie würde ’ne Fahrkarte bekommen. Und das hat er ja wohl, Mann, und du hast sie ihm gegeben.« Mein Gedächtnis sprang zurück in jene Nacht im Jahr 1951, als ich Engels das erste Mal gefolgt war - er hatte eine heftige Auseinandersetzung mit einem älteren Mann in einer Schwulenkneipe in West Hollywood gehabt. Mein mangelhaftes Gedächtnis wurde wieder lebendig - dieser Mann war Doc Harris gewesen. Selbstekel breitete sich in mir aus wie ein
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