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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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Krebsgeschwür, also wechselte ich das Thema. »Hat Marcella Harris Maggie gekannt? Wußte sie, daß Doc sie umbringen würde?«
    »Ich glaube, sie wußte es, ich glaube, sie hat es geahnt. Sie hatte Maggie immer gemocht - und sie wußte, daß Maggie Michaels Mutter war. Doc sagte Marcella, sie solle sich von Maggie fernhalten. Doc und Marcella waren geschieden, verkehrten aber freundschaftlich miteinander. Marcella machte eine Reise irgendwohin; sie ließ Michael bei ein paar Freunden. Schau, Mann, sie hatte immer gewußt, daß Doc ein bißchen kaltherzig war. Als sie erfuhr, daß Maggie tot war, wußte sie, wie kaltherzig. Aber erst gegen Ende jenes Jahres fand sie heraus, daß Doc die Gefriertruhe für viele Herzen war.«
    »Was redest du denn da? Wußte sie nicht, daß Doc Johnny umgebracht hatte?«
    Brubaker schüttelte den Kopf und schenkte mir ein ironisches Intellektuellenlächeln. »Fehlanzeige, Mann. Wenn sie’s gewußt hätte, hätte sie ihn oder sich selbst umgebracht. Diese Frau liebte ihren verrückten Bruder, und was die für einen Willen hatte! Ich war Docs Alibi, Mann! Er war mit mir auf einer dreitägigen Poker- und Sauftour - in Wirklichkeit war er in Milwaukee, um den Großen John aufzuschlitzen.«
    Mich schauderte, weil ich die Antwort auf meine nächste Frage bereits ahnte. »Was hat Marcella dann gegen Ende des Jahres herausbekommen?«
    »Also, Mann, eins muß man Doc, dem alten Eisberg, lassen - er liebt seinen ›moralischen Erben‹, wie er ihn nennt. Als Marcella 1951 anfing, sich überall wie wild herumzutreiben, und Michael bei ihren geselligen Freunden ließ, war Doc außer sich, weil er nicht wußte, wo sein Junge war. Als er und Michael sich trafen und Michael ihm sagte, er wäre bei ein paar netten Typen in Hollywood, hat Doc sich mächtig aufgeregt. Er fuhr mit ’nem Schlachtermesser dahin und hat ’n bißchen gesäbelt. Drei von denen hat er erwischt. Stand alles in der Zeitung, aber du hast es wahrscheinlich nicht gelesen - du warst selbst kurz zuvor in den Schlagzeilen gewesen und hattest dich wahrscheinlich versteckt. Was is’ los, Mann? Du bist ’n bißchen bleich.«
    Brubaker ging zum Waschbecken und ließ mir ein Glas Wasser ein. Er gab es mir, und ich trank davon, dann merkte ich erst, was ich da machte, und feuerte es gegen die Wand.
    »Sachte, Mann«, sagte Brubaker. »Erfährst du hier Sachen, die du gar nicht wissen willst?«
    Ich erstickte fast an den Worten, brachte sie aber heraus. Zum Teil: »Warum hat Doc...«
    »Marcella umgebracht? Wegen des Jungen, Mann. Ihm war klar, daß Marcella von der ganzen Kacke wußte, die am Dampfen war; vielleicht vermutete sie sogar, daß Doc Johnny umgebracht hatte. Aber sie wußte, wenn sie zu den Bullen gehen würde, dann würde sie ihren kleinen Jungen nie wiedersehen. Das machte sie fertig. Sie fing jetzt richtig an zu schlucken, Pillen reinzuschmeißen, schlimmer als je zuvor. Sie fing an rumzuvögeln, schlimmer als je zuvor. Doc ließ sie von so ’nem schäbigen Privatdetektiv überwachen. Der erzählte Doc, zwischen Marcellas Beinen würde mehr Gummi verbrennen als auf dem Pomona Freeway. Dieser Schnüffler verschwand dann kurz darauf, Mann. Und Marcella auch.«
    Brubaker fuhr schweigend mit einem Finger über die Kehle, um das Ende von Marcellas möglicherweise herrlichem Leben anzuzeigen. Ich war jenseits aller Empörung empört, doch nicht über Brubaker.
    »Aber Michael war mit Doc zusammen, als Marcella erwürgt wurde«, sagte ich ruhig.
    »Das ist richtig«, sagte Brubaker ebenso ruhig. »War er. Doc fuhr raus nach El Monte. Er wußte, daß Marcella gewöhnlich von ›Hanks Hot Spot‹ über die Peck Road und an der High-School vorbei nach Hause torkelte. Er wußte, daß sie nie ihren Wagen nahm. Er hatte bei der Schule geparkt. Er ließ sie einsteigen und redete ein paar Stunden mit ihr, dann erwürgte er sie. Michael schlief während der ganzen Zeit auf dem Rücksitz. Doc hatte ihm drei Seconal gegeben. Als er am nächsten Tag zuhause aufwachte, hatte er keine Ahnung, wo er die Nacht verbracht hatte. Ist elterliche Liebe nicht das Größte, Mann?«
    Ich sprang auf und hielt mit zitternder Hand meine Kanone ein paar Zentimeter vor Brubakers lächelndes Gesicht, den Hahn gespannt und den Finger am Abzug.
    »Erschieß mich doch, Mann«, sagte Brubaker. »Ist mir egal, wird nicht lange weh tun. Erschieß mich doch.«
    Ich rührte mich nicht.
    »Erschieß mich, gottverdammt! Traust du dich nicht? Hast du Angst vor
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