Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
Vom Netzwerk:
These letztlich widerlegen. Denn selbst mit dem Blut des Helden an meinen Händen und dem Lorbeerkranz zu meinen Füßen würde das Wunder in seinem letzten Stadium nicht mehr auf mich einwirken als das starre Licht einer Leuchtbake, umtobt vom Meer in seinem ständigen Wechsel zwischen Tod und Selbsterneuerung.
    Es war jenes Meer, das mich packte und mich viele Jahre später wieder freigab. Wenn man allen Verbindungen im Eddie-Engels-Fall zeitlich vorwärts und rückwärts nachgeht, wird man keinen Anfang und kein Ende finden. Als mich mein gieriger Ehrgeiz 1951 in ein furchtbares Labyrinth von Tod, Schande und Verrat hineinzog, war das nur mein Anfang. Und als die Sache 1955 endlich entwirrt wurde, war mir klar, daß meine Bereitwilligkeit, mich mit einer Horde von der Hölle gelenkten Leuten einzulassen und an ihrem, einem heimlichen Übergang geweihten Leben teilzunehmen, das Wunder war - und genauso meine letztliche Erlösung.

1 DIE LETZTE SAISON
1
    Wacky und ich waren seit drei Monaten zusammen, als Night Train in unser Leben trat. Der Wachhabende erzählte uns von ihm, als wir in unseren schwarzweißen 48er Ford einstiegen, der vor der Wilshire-Wache geparkt war.
    »Walker. Underhill. Kommt mal kurz rüber«, rief er uns zu. Wir gingen zu ihm. Er hieß Gately; er war unrasiert und lächelte. »Der Lieutenant hat was Tolles für euch. Ihr Golfspieler habt immer Glück. Mögt ihr Hunde? Ich hasse Hunde. Da iss’n Hund, der kleine Kinder terrorisiert. Er klaut ihnen ihr Mittagessen. Drüben in der Grundschule Ecke Orange Drive und Olympic Boulevard. Ein böser alter Mülleimer-Hund. Gehörte früher einem Penner. Der Hausmeister der Schule hat ihn geschnappt. Sagt, er würde ihn umbringen oder ihm die Eier abschneiden. Die Kerle vom Städtischen Tieramt ham was gegen das Gequieke, die denken, der Hausmeister ist verrückt. Ihr zwei bringt den alten Köter ins Tierheim. Erschießt ihn ja nicht, da sind lauter kleine Kinder. Könnten sich erschrecken. Ihr Golf-Kerle habt immer Glück.«
    Wacky lenkte den Schwarzweißen auf den Pico Boulevard; er lachte und redete in Versen, was er manchmal tat, wenn der Kaffee den Restalkohol der letzten Nacht reaktivierte.
    »Verbleiche denn, du edles Biest, das, was wir tun, uns nie verdrießt, o edler Hund, bald unser Fund, auf Zwingers Grund schlägt dir die Stund’!«
    Ich lachte, während Wacky weitermachte und dem Straßenpflaster seine Verse einhämmerte. Der Hausmeister war ein dicker Japaner um die fünfzig. Wacky schaute ihn an und wackelte dabei mit den Augenbrauen, was das Eis brach und ihm einen Lacher einbrachte. Er führte uns zu dem Hund, der in einem transportablen Baustellenklo eingeschlossen war. Als wir näher kamen, konnte ich hören, wie sich aus dem dünnwandigen Gebilde ein durchdringendes Jaulen erhob. Auf das verabredete Zeichen von Wacky trat ich ein Loch in die Seite der Toilette und schob unser Mittagessen hinein - zwei Schinken-Käse-Sandwiches, ein Sardinen-Sandwich, ein Roggenbrot mit Roastbeef und zwei Äpfel. Wütendes Kauen war zu hören. Ich riß die Tür auf, erhaschte einen flüchtigen Blick von einer dunklen, haarigen Gestalt mit glitzernden, scharfen Zähnen und verpaßte ihr eine mit voller Kraft direkt aufs Maul. Sie brach zusammen und spuckte dabei etwas Schinken-Sandwich aus. Wacky zog den Hund nach draußen.
    Er war ein gutaussehender schwarzer Labrador - aber sehr dick. Er hatte ein riesiges Gehänge, das beim Gehen über den Boden schleifen mußte. Wacky war in ihn verliebt. »Oooh, Freddy, schau dir das arme Baby an. Oooh.« Er hob den bewußtlosen Hund auf und wiegte ihn in seinen Armen. »Oooh, Onkel Wacky und Onkel Freddy bringen dich aufs Revier und finden ein nettes Zuhause für dich. Oooh.«
    Der Hausmeister beäugte uns mißtrauisch. »Ihr töten Hund?« fragte er, wobei er einen Finger quer über die Kehle zog und Wacky nachschaute, der seinen neugefundenen Freund liebevoll zum Streifenwagen trug.
    Ich stieg auf der Fahrerseite ein. »Wir können diesen Köter nicht mit auf die Wache nehmen«, sagte ich.
    »Blödsinn. Wir verstecken ihn im Umkleideraum. Wenn wir frei haben, nehme ich ihn mit nach Hause. Dieser Hund wird mein Caddy sein. Ich werde ihm ein Geschirr anlegen, so daß er meine Tasche ziehen kann.«
    »Beckworth wird dir in den Arsch treten.«
    »Beckworth kann mich am Arsch lecken. Kümmer du dich um Beckworth.«
    Der Hund wachte auf, als wir auf den Parkplatz des Reviers einbogen. Er fing wütend an zu bellen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher