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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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weg und lächelte mich glückselig an. »Sag Walker, er soll mal zu mir kommen, Freddy. Sag ihm, ich hätte feinen Scotch für ihn. Korea-Mösen, guter Gott! Du glaubst doch nicht, daß er ein Roter ist, Freddy?«
    »Wacky Walker? Stabsfeldwebel der US-Marineinfanterie? Sie sollten sich auf die Zunge beißen, Lieutenant!«
    »Du hast recht, Freddy. Das war meiner nicht würdig. Gehn wir. Ich hab’ genug für heute.«
    Ich fuhr Beckworth zurück zu seinem Wagen und dann heim in meine Wohnung in Santa Monica. Ich duschte und zog mich um. Dann steckte ich die 38er-Stupsnase, die ich in meiner Freizeit trug, in ein kleines Hüfthalter und befestigte es neben der Wirbelsäule am Gürtel - für den Fall, daß ich tanzen ging und es mich überkommen sollte. Dann stieg ich in meinen Wagen und machte mich auf die Suche nach Frauen.

    Ich beschloß, dem roten Straßenbahnwagen zu folgen. Er fuhr von Long Beach bis nach Hollywood hoch. Es war Freitag abend. An Wochenendabenden fuhren immer Scharen von Mädchen mit dieser Bahn, auf der Suche nach Vergnügen auf dem Sunset Boulevard, das sie sich wahrscheinlich gar nicht leisten konnten. Der rote Wagen lief leicht erhöht auf einem Gleis in der Mitte der Straße, so daß man die Fahrgäste kaum sehen konnte. Am besten war’s, man fuhr Seite an Seite und beobachtete die Mädchen beim Einsteigen.
    Die Mädchen aus Los Angeles waren mir am liebsten, sie waren einsamer und individueller als die Mädchen aus den »Vororten«, deshalb schnappte ich mir den roten Wagen Ecke Jefferson Boulevard und LaBrea Avenue. Fünf Minuten der Spannung wollte ich vor der Goldgrube am Wilshire Boulevard verstreichen lassen: Ganze Schwärme von Verkäuferinnen bei Ohrbach und der May Company und Sekretärinnen von den Versicherungsgesellschaften, die die belebteste Straße von Los Angeles säumten. Ich hielt meinen 47er Buick mit Stoffverdeck und Gewehrkimmen-Verzierung auf der Haube haarscharf auf gleicher Höhe mit dem Straßenbahnwagen und beobachtete gespannt das Einsteigen der Fahrgäste.
    Der Aufmarsch am Wilshire Boulevard war vorhersehbar: ältere Herrschaften, Schüler und -innen, einige junge Pärchen. An der Haltestelle sprang ein Haufen Kichermädchen auf, sie drückten und schoben ausgelassen. Es war kalt draußen. Ihre Körper waren von Mänteln verdeckt. Das machte freilich nichts - der Geist ist wichtiger denn das Fleisch. Sie stiegen schnell ein, daher konnte ich keine Gesichter erkennen. Das war ungünstig für mich. Wenn sie an der Fountain oder am Sunset Boulevard in Scharen ausstiegen, müßte ich schnell einparken und ihnen nachjagen, ohne daß ich Zeit hätte, mir einen passenden Spruch für eine spezielle Frau auszudenken.
    Aber heute abend war das egal, denn kurz vor der Melrose Avenue sah ich sie, wie sie aus einem chinesischen Restaurant rannte, ihre Handtasche flog an den Riemen. Einen kurzen Augenblick lang war sie vom Neon-Schein des Gordon-Theaters umrahmt: ein Mädchen von ungewöhnlichem Aussehen, als Typ nicht definierbar, eher durch eine Intensität des Gefühls. Sie schien auf eine gequälte, eingeschüchterte Weise nervös zu sein und gleichsam die Nacht von Los Angeles aufzureißen. Sie war stilvoll gekleidet, aber ohne Rücksicht auf Mode: ausgebeulte Männerhosen mit Aufschlag, Sandalen und eine Eisenhower-Jacke. Männerkleidung, aber ihre Züge waren weich und feminin und ihr Haar war lang.
    Mit Mühe erreichte sie den Wagen und sprang mit einem kleinen Antilopen-Hüpfer an Bord. Ihr Ziel war mir nicht klar, sie hatte zuviel drauf, um nur auf dem Sunset Strip dabei zu sein. Vielleicht wollte sie in eine Buchhandlung auf dem Hollywood Boulevard oder zu einem Rendezvous, bei dem ich außen vor bliebe. Ich sollte mich irren; sie stieg an der Fountain aus und lief nach Norden.
    Ich parkte rasch, klemmte ein Schild mit dem Aufdruck »Polizei« unter den Scheibenwischer und folgte ihr zu Fuß. An der DeLongpre bog sie nach Osten, in eine ruhige Wohnstraße am Rande des Geschäftsviertels von Hollywood ab. Wenn dies ihr Heimweg war, hätte ich heute abend kein Glück gehabt - meine Methoden erforderten eine belebte Straße oder einen bevölkerten Platz, und das Beste, was ich erwarten konnte, war eine Adresse als Anhaltspunkt. Einen halben Straßenblock weiter oben konnte ich jedoch zwei Polizeiwagen erkennen, die quer über die Straße geparkt waren und ihre Rotlichter an hatten: möglicherweise der Schauplatz eines Verbrechens.
    Das Mädchen bemerkte das, zögerte
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