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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich
Autoren: James Ellroy
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und lief zurück in meine Richtung. Sie hatte Angst vor Cops, und das weckte mein Interesse. Dank dieser Angst entschloß ich mich, alles zu riskieren, und fing sie ab, als sie an mir vorbeiging, »’tschuldigung, Miss«, sagte ich und zeigte ihr meine Marke. »Ich bin Polizeibeamter und dies ist ganz offiziell der Schauplatz eines Verbrechens. Bitte lassen Sie sich von mir in Sicherheit bringen.«
    Die Frau nickte verängstigt, und ihr Gesicht wurde einen kurzen Moment lang bleich und leer. Sie sah ganz entzückend aus und zeigte jene Verbindung von Stärke und Verletzlichkeit, die die Grundlage meiner Liebe und meines Respekts für Frauen ist. »Okay«, sagte sie, und mit einem dünnen Hauch von Verachtung fügte sie »Officer« hinzu. Wir gingen zurück Richtung LaBrea Avenue, ohne uns anzuschauen.
    »Wie heißen Sie?« fragte ich.
    »Sarah Kefalvian.«
    »Wo wohnen Sie, Miss Kefalvian?«
    »Nicht weit von hier. Aber ich wollte gar nicht nach Hause. Ich wollte zum Boulevard.«
    »Welche Ecke denn?«
    »Zu einer Kunstausstellung. Nähe Las Palmas.«
    »Ich bring’ Sie hin.«
    »Nein. Lieber nicht.«
    Sie hielt ihre Augen abgewandt, aber als wir zur LaBrea kamen, schaute sie mich so temperamentvoll-trotzig an, daß mir ein Schauer den Rücken hinunterlief. »Sie mögen wohl keine Cops, nicht wahr, Miss Kefalvian?« sagte ich.
    »Nein. Sie verletzen Leute.«
    »Wir helfen den Leuten mehr, als daß wir sie verletzen.«
    »Das glaub’ ich nicht. Vielen Dank für die Begleitung. Gute Nacht.«
    Sarah Kefalvian wandte sich von mir ab und bewegte sich mit flottem Schritt Richtung Boulevard. So konnte ich sie nicht gehen lassen. Ich holte sie ein und packte sie am Arm. Sie riß ihn weg. »Schaun Sie«, sagte ich, »ich bin kein Durchschnitts-Bulle. Ich hab’ mich vorm Kriegsdienst gedrückt. Ich weiß, daß in der Buchhandlung auf Las Palmas eine Picasso-Ausstellung ist. Ich bin scharf auf Kultur und ich brauche jemand, der mir was beibringt.« Ich schenkte Sarah Kefalvian mein zerknittertes Lächeln, das mich zum schüchternen Siebzehnjährigen machte. Sie fing an, weich zu werden, ganz langsam. Sie lächelte. Ich faßte nach: »Bitte!«
    »Haben Sie sich wirklich vorm Krieg gedrückt?«
    »Gewissermaßen.«
    »Ich gehe mit Ihnen in die Ausstellung, wenn Sie mich nicht anfassen oder irgend jemand erzählen, daß Sie Polizist sind.«
    »Abgemacht.«
    Wir liefen zurück zu meinem falsch geparkten Wagen, ich frohgemut, Sarah Kefalvian widerwillig interessiert.
    Die Ausstellung war in der Buchhandlung von Stanley Rose, einem langjährigen Treffpunkt der Intellektuellen-Szene von Los Angeles. Sarah Kefalvian ging immer ein bißchen vor mir und gab ehrfürchtige Kommentare zum besten. Die Bilder waren Drucke, keine Gemälde, aber das beunruhigte sie nicht. Offensichtlich schien sie an der Idee eines Rendezvous’ langsam Gefallen zu finden. Ich sagte ihr, mein Name wäre Joe Thornhill. Vor »Guernica« hielten wir inne, dem einzigen Bild, das zu kommentieren ich mich traute.
    »Das ist ein tolles Bild«, sagte ich. »Als Kind habe ich einen Haufen Fotos von der Stadt gesehen. Das bringt mir alles in Erinnerung. Besonders die Kuh, aus der der Speer herausragt. Krieg muß schlimm sein.«
    »Er ist das Grausamste, Schrecklichste, was es auf Erden gibt, Joe«, sagte Sarah Kefalvian. »Ich will mein Leben dafür einsetzen, ihn zu beenden.«
    »Wie?«
    »Indem ich die Worte großer Männer verbreite, die den Krieg gesehen haben, und was er anrichtet.«
    »Sind Sie gegen den Krieg in Korea?«
    »Ja. Gegen alle Kriege.«
    »Wollen Sie nicht den Kommunismus aufhalten?«
    »Tyrannei kann man nur mit Liebe aufhalten, nicht mit Krieg.«
    Das interessierte mich. Sarahs Augen wurden feucht. »Lassen Sie uns irgendwohin gehen und reden. Ich lade Sie zum Essen ein. Wir tauschen unsere Lebensgeschichten aus. Was halten Sie davon?« Ich wackelte mit den Augenbrauen wie Wacky Walker.
    Sarah Kefalvian lächelte, lachte, und das verwandelte sie. »Ich habe schon gegessen, aber ich komme mit, wenn Sie mir erzählen, warum Sie sich vor dem Kriegsdienst gedrückt haben.«
    »Abgemacht.« Als wir die Buchhandlung verließen, faßte ich sie am Arm und lenkte sie. Sie wand sich, leistete aber keinen Widerstand. Wir steuerten zu einer Itaker-Kneipe Ecke Sunset und Normandie. Auf dem Weg dorthin erfuhr ich, daß Sarah vierundzwanzig war, ein Geschichtsstudium an der University of California in Los Angeles absolviert hatte und die Tochter armenischer
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