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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition)
Autoren: Greg Bear
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meinem rechten Ohr. »Wir sammeln uns hinter Seans Gruppe«, sagte sie.
    Wir konnten atmen, wir konnten miteinander sprechen. Bisher lief alles gut.
    »Auf geht’s«, sagte Sean. Seine Gruppen machten sich auf den Weg, entfernten sich vom Graben. Manche winkten. Charles Rücken tauchte kurz in meinem Blickfeld auf. Seine Gruppe marschierte in offener Formation auf die Hügel zu, wir würden ihr auf einer Route, die etwas weiter südlich lag, folgen. Mir war nicht klar, warum ich Charles überhaupt beachtete. Nun ja, der Hautschutz verbarg nicht viel. Er hatte einen süßen Hintern. Schlank und straff geformt.
    Ich biss mir auf die Lippe, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. » Ich bin ein rotes Karnickel {2} «, sagte ich mir. » Zum ersten Mal seit zwei Jahren bin ich hier oben. Und hier gibt es keine Pfadfinder- oder sonstige Wanderführer, die sich darum kümmern, dass unsere Ausrüstung in Ordnung ist und wir alle sicher zu Mammi nach Hause zurückkehren. Nimm dich zusammen, verdammt noch mal !«
    »Auf geht’s!«, sagte Gretyl, und wir machten uns auf den Weg.
    Es war ein typischer Marsmorgen, milder Frühling und minus zwanzig Grad. Der Wind hatte sich fast gelegt. Die Luft war so klar, dass man zweihundert Kilometer weit sehen konnte. Tausende von Sternen funkelten wie winzige Edelsteine am Himmelszelt. Der Horizont leuchtete wie rosa Perlmutt.
    Alle meine Gedanken ordneten sich. Dieser Augenblick hatte etwas Magisches. Ich hatte das Gefühl, mir sei unsere Situation plötzlich völlig klar … und auch, welche Überlebenschance wir wirklich hatten.
    Die Marsoberfläche war normalerweise sterbenskalt. Aber so nahe am Äquator waren die Temperaturen verhältnismäßig mild: selten unter minus sechzig Grad. Ganz normale Stürme konnten Windböen von mehr als vierhundert Stundenkilometern mit sich bringen, die Wolken feinen Staubs und Treibsands so hoch und so weit vor sich hertrieben, dass man sie bis von der Erde aus sehen konnte. Gelegentlich konnten plötzliche atmosphärische Turbulenzen auch einen Hochdruckwirbel erzeugen, der über Tausende von Kilometern dahinfegte und vom Orbit aus wie eine dunkle Schlangenlinie aussah. In der Folge eines solchen Wirbelsturms konnte sich der größte Teil des Mars schnell ganz und gar mit Wolken überziehen. Aber auf der Hochebene Sinai war die Luft bei fünf Millibar normalerweise so dünn, dass man so etwas nicht befürchten musste. Die Winde waren hier meistens nur sanfte, kaum spürbare Brisen.
    In meinen Stiefeln stampfte ich über den verkrusteten Sand und das Geröll. Unberührter Marsboden überzieht sich nach wenigen Monaten mit einer dünnen Kruste. Die Sandkörner verbinden sich zu einer Art Zement, der ähnlich wie Raureif wirkt. Die knirschenden Schritte der anderen drangen schwach an mein Ohr. Der Schall in dieser dünnen Atmosphäre gaukelte mir vor, sie seien Dutzende von Metern von mir entfernt.
    »Wir müssen nah beieinander bleiben«, mahnte Gretyl.
    Ich kam an einem von Gletschern rund geschliffenen Felsen vorbei, der höher als unsere unterirdische Zentralkuppel war. Uralte Ströme von Eis hatten den verkrusteten Basalt in einen rundlichen Kobold verwandelt. Seine Arme hatte er am Boden ausgestreckt und seinen flachen Kopf wie zum Schlafen darauf gebettet … vielleicht tat er auch nur so, als ob er schliefe.
    Aus irgendeinem Grund hatten die ›roten Karnickel‹ mit der Marsoberfläche nie abergläubische Vorstellungen verbunden. Vielleicht lag das an den allzu grellen Farben, an dem Orange, Rot und Braun des Marsbodens, vielleicht aber auch daran, dass dieser Boden so völlig unbelebt wirkte. Jedenfalls sprach die Marsoberfläche unsere morbiden Instinkte nicht an.
    »Falls sie schlau sind und irgend jemand uns erwartet, kann es sein, dass sie hier draußen Posten aufgestellt haben«, sagte Sean über Funk. »Vielleicht überwachen sie auch das Umfeld der Universität.«
    »Kann ja auch sein, dass jemand getratscht hat«, ergänzte Gretyl. Allmählich mochte ich sie. Zwar hatte sie eine unangenehme Stimme und ein starres, verkrampftes Gesicht, aber anscheinend blickte sie ganz gut durch. Warum hatte sie ihr Gesicht nicht verändern lassen? Na ja, vielleicht war dieses Gesicht so etwas wie ein Familienerbe – etwas, auf das man dort, wo sie herkam, sogar stolz war. So wie ja auch die englische Königsfamilie ihre Gesichtszüge beibehielt, das war sogar per Gesetz verordnet worden. Die lange Nase König Heinrichs von England kam mir in den
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