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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer
Autoren: Bruce Sterling
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ist ein Theoretiker, ein sehr junger, sehr von sich eingenommener und sehr schlechter Theoretiker. Wenn diese Leute glauben, sie könnten Kunst und Wissenschaft wie Whiskey und Soda mischen, dann begehen sie einen elementaren Irrtum. Das ist ein krasser Fehlschluss. Wissenschaft ist nicht Kunst. Wissenschaft setzt sich zusammen aus objektiven Techniken, die zu reproduzierbaren Ergebnissen führen. Auch Maschinen könnten Wissenschaft betreiben. Kunst ist kein reproduzierbares Ergebnis. Kreativität ist ein zutiefst subjektiver Akt. Und Ihre Subjektivität ist schwer geschädigt und fragmentiert.«
    »Meine Subjektivität ist anders. Und man kann Kunst und Wissenschaft bestimmt leichter miteinander vereinbaren als Kunstkritik und einen Polizistenjob.«
    »Ich bin keine Künstlerin. Ich interessierte mich bloß für Kunst.«
    »Wenn Sie die Wissenschaft so sehr verachten, weshalb leben Sie dann noch?«
    Helene schwieg.
    »Wovor haben Sie solche Angst?«, fragte Maya. »Ich zerstöre ja nur ungern Ihren hübschen Mythos, aber wenn eine Kamera Kunst hervorbringen kann, dann sicherlich auch ein metabolischer Tank. Sie haben bloß nicht in den richtigen Tanks gelegen. Ich verfüge jetzt über das heilige Feuer. Das ist eine blödsinnige Bezeichnung, ich weiß, aber es ist ebenso real wie Dreck, weshalb also sollte ich mich darum scheren, wie Sie es nennen?«
    »Dann beweisen Sie’s mir«, sagte Helene und verschränkte die Arme. »Zeigen Sie mir etwas wirklich Gelungenes. Zeigen Sie mir etwas wahrhaft Eindrucksvolles, das Sie oder ihre jungen Freunde erschaffen haben. Computer-Hacking zählt nicht, jeder Idiot kann in vierzig Jahre alte Sicherungssysteme eindringen. Neue Medienformen zählen ebenfalls nicht, jeder Idiot kann einem neuen Medium billige Neuheiten entlocken. Sie sind klug, aber es fehlt ihnen an Tiefgang! Die Tete-Leute jammern und klagen gern, dabei haben die Künstler von heute alle Vorteile auf ihrer Seite. Bildung. Muße. Eine ausgezeichnete Gesundheit. Kostenlose Ernährung, kostenlose Unterkunft. Unbegrenzte Reisemöglichkeiten. Alle Zeit der Welt, um ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen. Alle Informationen, die das Netz bereitzustellen vermag, das Welterbe der Kunst. Und was haben sie uns gegeben? Einen zutiefst schlechten Geschmack.«
    »Was erwarten Sie denn? Sie sind Produkte Ihrer Welt. Ich bin ein Produkt Ihrer Welt. Was wollen Sie von mir?«
    Helene zuckte die Achseln. »Was soll ich mit Ihnen anfangen?«
    »Ach, kommen Sie, Helene. Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten sich nicht bereits entschieden.«
    Helene breitete die Arme aus. »Die Kinder kapieren’s einfach nicht. Sie glauben wirklich, die Welt sei im Begriff zu fossilieren. Sie haben keine Ahnung, wie nahe wir dem Chaos sind. Die Kinder wollen Macht. Macht ohne Verantwortung, ohne Umsicht oder Reife. Sie wollen ihr Gehirn verändern! Und Sie haben ihnen dabei geholfen! Sind unsere Gehirne nicht schon genug verändert?«
    »Mag sein. Ich weiß, dass sie schon recht stark verändert sind. Glauben Sie mir, ich spüre das. Aber ich kann es Ihnen wirklich nicht erklären.«
    »Sie können es mir nicht erklären. Wie beruhigend. Stellen Sie sich vor, es gäbe in der modernen Welt wahre Rebellen. Verrückte Rebellen, richtig altmodische Fanatiker, die aus brandneuen metabolischen Tanks kriechen. Wussten Sie, dass man mit jedem gewöhnlichen Tinkturenset ausreichend Nervengas herstellen kann, um die Bevölkerung einer ganzen Stadt zu vergiften? Und da sitzen Sie, Schätzchen, mit Ihrem hübschen kleinen Furoshiki und vergehen sich mit ungebremster Gewalt an den Naturgesetzen ... Die halten Sie für schlau. Sie halten sich für schlau. Die glauben, alles wäre einer lähmenden Kontrolle unterworfen. Nichts ist unter Kontrolle. Die Hälfte der heutigen Bevölkerung hat den Kontakt zur objektiven Realität verloren. Sie bringen sich mit Entheogenen um den Verstand. Sie glauben, sie würden Gott erfahren, und wenn sie ihre Regierung nicht zufällig lieben und ihr vertrauen würden, dann würden sie sich gegenseitig abschlachten.«
    »Dann ist es ja nur gut, dass Ihr Regierungsleute so liebenswert seid.«
    »Sie waren ebenfalls Teil der Regierung. Sie sind Medizinökonomin. Nicht wahr? Sie wissen genau, welche Mühen wir auf uns genommen haben. Wie viel Arbeit diese gewaltige Anstrengung erfordert hat. Sie verschwenden das Geld armer, ehrlicher Leute, wenn Sie nach allem, was die Öffentlichkeit in Ihren Körper investiert hat, weglaufen, um sich zu
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