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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer
Autoren: Bruce Sterling
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noch. Du bist fünfmal so alt wie ich und fünfmal stärker. Und du machst mir einfach keinen Platz.«
    »Die Leute im Tete sind jung. So jung wie du.«
    »Klar, und sie lieben dich, nicht wahr? Wenn du so alt wärst wie ich, würden sie dich für einen Provinztrottel halten. Genau wie mich. Und es stimmt sogar. Sie sind smart und begabt und intellektuell, und ich schaffe es höchstens mal, einen Blick hinter ihre Fassade zu werfen und sie zu beobachten und zu beneiden. In meinem Alter wäre es dir auch nicht besser ergangen als mir. Sogar viel schlimmer. Du hättest dich nicht mal von deinem Freund nach Europa mitnehmen lassen. Du hättest ihn fallengelassen und irgendeinen Biotechniker geheiratet. Du wärst eine Bürokratin geworden, Mia.«
    Maya schloss die Augen und lehnte sich an die unbequeme Stuhllehne. Brett hatte vollkommen Recht und lag gleichzeitig völlig daneben. »Mir wäre es lieber, du würdest mich nicht Mia nennen.«
    »Und mir wäre es lieber, du würdest mich nicht Brett nennen.«
    »Also, gut ... dann nenn mich eben Mia.«
    »Es stört mich gewaltig, dass du meinen Hass nicht einmal erwiderst. Du schleppst mich nur deshalb mit, weil ich dein Maskottchen bin. Ich bin dein kleiner Hamster. Und nicht mal den Hamster konntest du bei dir behalten.«
    »Der Hamster ist mir unheimlich auf den Wecker gegangen. Und du fängst auch an, mir auf die Nerven zu gehen.«
    »Du redest sogar wie eine Hundertjährige. Die Leute müssen alle verrückt sein! Ich meine, wenn man dich richtig anschaut, ist es doch ganz offensichtlich! Dein Haar ist fürchterlich. Weißt du, dass du am Hals große Falten hast? Ich meine, keine richtigen Runzeln, man hat der Haut nicht gestattet, Runzeln zu bilden - aber ehrlich, natürlich ist das jedenfalls nicht.«
    »Brett, hör auf. Du redest Unsinn. Erst sagst du, ich würde dir dein Leben stehlen, und dann sagst du, du hättest sowieso nichts damit anfangen können. Also, worüber beschwerst du dich? Klar, vielleicht hättest du es vor achtzig Jahren viel weiter gebracht als ich. Aber hey, du warst nun mal nicht zur Stelle. Bei einer wie mir ist es zwecklos, die Vergangenheit zu verklären. Ich habe die Vergangenheit schließlich selbst erlebt, kapiert? Vor achtzig Jahren haben wir alles in allem gelebt wie die Wilden. Wir hatten unter Krankheiten und Revolutionen und schweren Wirtschaftskrisen zu leiden. Als ich jung war, haben sich die Leute gegenseitig mit Pistolen erschossen. Im Vergleich mit damals ist das hier das Paradies! Du tust mir einfach Unrecht, und was du sagst, hat weder Hand noch Fuß.«
    »Aber, Mia, ich kann nicht so vernünftig sein wie du. Ich bin gerade mal zwanzig Jahre alt.«
    »Ach, hör doch, um Himmels willen, auf mit dem Gejammere.«
    »Ich bin zwanzig Jahre alt, und ich bin erwachsen. Aber nichts, was ich tue, ist von Bedeutung. Ich habe nicht mal Gelegenheit, zu beweisen, dass ich dumm bin. Ich vermute, dass ich es bin, und ich könnte damit leben, ganz bestimmt. Ich würde etwas anderes tun, ich würde nicht ins Kunsthandwerk gehen, ich würde einfach leben wie ein kleines Tier. Ich würde Kinder kriegen und vielleicht im Garten herumwerkeln. Aber nicht einmal das bekomme ich hin in dieser großen, sicheren, schönen Welt, die ihr für mich aufgebaut habt. Ich bringe es einfach zu nichts.«
    Zwei tschechische Polizisten kamen herein. Die beiden waren nicht fürs Netz zuständig und auch nicht für den Medizinbereich oder das Kunsthandwerk. Offenbar handelte es sich um zwei einfache Streifenpolizisten aus Prag. Sie holten Phonetikkarten aus ihren pinkfarbenen Uniformen und lasen ihr mit starkem Akzent eine lange Liste ihrer Bürgerrechte vor. Dann stellten sie Maya unter Arrest und buchten sie in das lokale Verbundsystem ein. Man warf ihr Verstoß gegen die Einwanderungsbestimmungen und Arbeit ohne Arbeitserlaubnis vor.
    Brett wurde hinausgeworfen. Brett schrie und schimpfte laut auf englisch, doch die tschechischen Polizisten waren geduldig, warfen sie hinaus und klopften sich anschließend die Hände ab. Maya musste sich nackt ausziehen und anschließend einen graubraunen Gefängnisoverall anziehen. Die Tracker an Armen und Stirn musste sie anbehalten.
    Die Prager Polizisten brachten sie zu einem in der Nähe gelegenen Hochhaus und steckten sie in eine äußerst saubere Zelle. Dort vergegenwärtigte sie sich mit Erleichterung ihre Vergehen, derer sie nicht angeklagt war: (a) Netzmissbrauch, (b) Medizinbetrug, (c) gemeinschaftliche Verunreinigung
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