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Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen

Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen

Titel: Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen
Autoren: Petra Hirscher
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Ganze der Welt und das Wirken Gottes zu erspüren. Alle Sorge um das leibliche Wohlergehen und unsere Gesundheit bliebe leer ohne die Pflege der Seele, ohne Verlangen nach dem umfassenden Heil. Darum ist für Hildegard das vornehmste und wirksamste Heilmittel die Medizin der Reue. In ihr, in Zerknirschung und Erschütterung, gerät der Mensch als Ganzes in Bewegung, kommt zur Einsicht und zur Umkehr, zur Wende der Not. So wird die Herzenshärte aufgebrochen, die mit großen schwarzen Augen ins Leere starrt. Der versteinerten Selbstsucht antwortet die Barmherzigkeit:
    »Die Kräuter schenken einander den Duft ihrer Blüten; ein Stein strahlt seinen Glanz auf den anderen, und alles, was lebt, hat einen Urtrieb nach liebender Umarmung … Übervoll ist mein Herz, jedwedem Hilfe zu schenken. Ich nehme Rücksicht auf alle Not. Den Gebrechlichen helfe ich auf und führe sie zur Genesung. Salbe bin ich für jedes Weh, und meine Worte tun wohl.«
    Darum blickt sie in den Visionen immer wieder auf die Vollendung, auf das Erscheinen des kosmischen Christus. In dem, was wir für unsere Gesundheit tun und für das Wohl anderer Menschen, in allem, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, mit unseren Händen tun, zielen wir auf das Ganze, auf das Heilwerden der Welt. Kochen und Heilen können teilhaben am guten Anfang der Schöpfung und an der Hoffnung auf ihre Vollendung.
    Altabt Odilo Lechner OSB

Lob der Schöpfung
    O wahrer Gott, welch große Geheimnisse
hast du in deinen Geschöpfen gestaltet und
dem Menschen, deinem großen Kunstwerk, untergeordnet.
    Du hast die Kräfte deiner Allmacht schöpferisch entsandt;
du hast das herrliche Dach mit seinen Fenstern,
das Firmament mit seinen Leuchten, geschaffen.
    An ihm hast du die Sonne festgemacht,
die mit ihrem Licht alles über der Erde
und unter der Erde erleuchtet.
    Ihr sind die übrigen Leuchten verbunden,
und wie diese durch die Sonne leuchten,
so gehorchen dir alle Geschöpfe.
    In dir und durch dich leben sie alle.
Durch deine Liebe ist alles geschaffen;
denn du, ewiger Gott, bist die wahre Liebe.
    (Aus den Gebeten der heiligen Hildegard)



Hildegard von Bingen
    Visionärin, geistige Ratgeberin, Schriftstellerin, Prophetin, Predigerin, Heilige und Künstlerin: Hildegard ist bis heute die bedeutendste Frau des Mittelalters.
    »Dem König aber gefiel es, eine kleine Feder zu berühren, dass sie sich in Wundern bewege. Und ein starker Wind trug sie, dass sie nicht sinke …«
    Als kleine Feder sah sich Hildegard, die sensible Nonne von zarter Konstitution, in diesem Selbstbildnis, das sie in einem Brief an Papst Eugen III. von sich zeichnete. Tatsächlich ist Hildegard von Bingen eine der faszinierendsten und vielseitigsten deutschen Frauengestalten – als Dichterin, Komponistin, Mystikerin und Seherin. Nicht zuletzt wird sie auch als Heilige verehrt, obwohl sie offiziell nicht heiliggesprochen ist.
Das Mädchen Hildegard
    Ob ihre Eltern, Graf Hildebert und seine Frau Mechthild, geahnt hatten, welche charismatische Persönlichkeit ihr zehntes Kind werden würde? Jedenfalls nannten sie sie Hildegard, was »Heldin« oder besser »rettende, beschirmende Heldenjungfrau« bedeutet. Als Hildegard 1098 in Bermersheim/Alzey in Rheinfranken zur Welt kam, wurde sie in die dynamische Zeit des europäischen Hochmittelalters geboren. Das war die Zeit der Kreuzzüge, der geistigen Neuerungen, der wachsenden Wirtschaft und Gesellschaft, der neuen Entwicklungen in Religion, Wissenschaft, Literatur und Kunst. Schon im Alter von drei Jahren soll an Hildegard eine visionäre Begabung aufgefallen sein. Diese Kraft der Vision nennt sie später das »lebendige Licht« und meint:
    »Bei meiner ersten Gestaltung, als Gott mich im Schoß meiner Mutter durch den Hauch des Lebens erweckte, prägte er meiner Seele dieses Schauen ein.«
    Viele Jahre erzählte sie niemandem von ihren Erfahrungen. Doch das Erscheinen dieses Lichtes in ihrem Leben hat sie stets als Zeichen der Erwählung von Anfang an ausgelegt.
    Als Hildegard acht oder neun war, übergaben ihre Eltern sie der Klausnerin Jutta von Spanheim zur Erziehung. Das klingt für heutige Ohren befremdlich, war aber damals keineswegs unüblich, sondern entsprach den Gepflogenheiten des Hochadels. Klöster stellten schon seit Generationen die anerkannten Zentren klassischer Bildung und Wissenschaft dar, was ihre große Anziehungskraft erklärt.
    Jutta war eine nur wenig ältere Verwandte, die sich mit anderen Frauen 1106 in einer Klause niederließ: Juttas
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