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Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen

Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen

Titel: Heilen und Kochen mit Hildegard von Bingen
Autoren: Petra Hirscher
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Vater Graf Stephan hatte diese an die Benediktinerabtei auf dem Disibodenberg anbauen lassen.
Das Leben im Kloster
    Wie sah der Klosteralltag Hildegards aus? Der typische Lebensrhythmus nach der Regel des heiligen Benedikt von Nursia prägte die Tage. Entsprechend der Jahreszeit und begangener Feierlichkeiten gab es eine Gebetsperiode von vier bis acht Stunden täglich sowie sieben bis acht Stunden für den Schlaf. Die übrige Zeit wurde zu gleichen Teilen auf die Arbeit und auf religiöse Lektüre und Studien verwendet. Im klösterlichen Dreischritt von »Lectio«, »Meditatio« und »Oratio«, im Wechsel von Gebet und Arbeit, Studium und geistlicher Lesung, Gemeinschaftsleben und Einsamkeit lernte sie Lesen, Schreiben, Lateinisch, Psalmengesang, die damals übliche Notenschrift und verschiedene freie Künste. Mit etwa 15 Jahren beschloss Hildegard, das Ordensgelübde abzulegen, und trat in den Orden der Benediktinerinnen ein. Sie galt als herausragende Persönlichkeit, die umfangreiche biblische, theologische, philosophische und naturkundliche Kenntnisse besaß. So vollzog sich Hildegards Leben als Nonne über Jahrzehnte im schlichten benediktinischen Gleichmaß.
»Die Gesichte, die ich schaue …«
    Nach dem Tode ihrer Mentorin Jutta von Spanheim wählen die Nonnen Hildegard 1136 zur Äbtissin ihrer Gemeinschaft. Fünf Jahre später, 1141, nimmt ihr Leben eine dramatische Entwicklung, aus der sie als verehrte Heilige, als deutsche Prophetin »prophetissa teutonica«, als »Posaune Gottes« – so ihre Selbstbezeichnung –, hervorgehen sollte. Dazu berichtet Hildegard:
    »Im Jahre 1141 … kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom Himmel hernieder. Und plötzlich erschloss sich mir der Sinn der Schriften … Und ich vernahm eine Stimme vom Himmel, die zu mir sprach: Schreibe auf, was du siehst und hörst!«
    Hildegard versteht sich von da an als Werkzeug und Sprachrohr Gottes. Unterstützt vom einflussreichsten Denker und Prediger der Zeit, dem Gründer des Zisterzienserordens, Bernhard von Clairvaux, beginnt Hildegard, ihre Visionen und auch ihre eigenen theologischen Vorstellungen in lateinischer Sprache niederzuschreiben.
Der Weg in die Öffentlichkeit
    Nun setzt ein enormer Schaffensprozess ein, der bis zu Hildegards Tod andauern wird. Sie verfasst die drei Visionenbücher »Scivias«, »Liber vitae meritorum« und »Liber divinorum operum«. Sie schreibt Kompositionen geistlicher Gesänge und das Spiel vom »Ordo virtutum«, das den Kampf des Menschen zwischen Gut und Böse darstellt. Außerdem führt sie eine äußerst umfangreiche Korrespondenz, verfasst eine Reihe kleinerer christlicher Abhandlungen und Schriften zur Medizin und Naturkunde.
    »Scivias« – Wisse die Wege – heißt ihr theologisch-visionäres Erstlingswerk. Diese Glaubenskunde besteht aus drei Teilen und spannt den Bogen von der Schöpfung der Welt und des Menschen über das Werden und Sein der Kirche bis zur Erlösung und Vollendung der Welt am Ende der Zeiten.
    Hildegard arbeitet zehn mühevolle Jahre daran. Am Ende ist mit »Scivias« eines der imponierendsten Weltpanoramen des Mittelalters entstanden, aus dem Papst Eugen III. während der Reformsynode in Trier 1147 den dort versammelten Bischöfen vorliest – ein Vorgang, der bis dahin undenkbar war! Jetzt war der Inhalt von Hildegards Schrift bestätigt und ihre »Visio« von höchster kirchlicher Autorität beglaubigt.
    Parallel zu diesen Ereignissen verfolgt Hildegard das Ziel, gemeinsam mit ihren 20 Mitschwestern den Disibodenberg zu verlassen. 1150 ziehen sie dann gegen den Widerstand der Mönche in das noch nicht fertig gebaute Kloster auf den Rupertsberg. Dieser Ort war ihr in einer Vision erschienen. Damit es auch nicht adeligen Frauen möglich wurde, ins Kloster zu gehen, gründete Hildegard ihr zweites Kloster. 1165 war es so weit: Der Konvent von Eibingen mit 30 Nonnen wurde eingeweiht.
Die geschätzte Ratgeberin
    Papst Eugen III. hatte Hildegard in aufsehenerregender Weise in die Weltöffentlichkeit gestellt. Von nun an äußert sie sich immer öfter zu den religiösen, politischen und gesellschaftlichen Fragen ihrer Zeit. Weit über 300 Briefe sind überliefert und bezeugen, dass Hildegard eine anerkannte Autorität gewesen ist, die von Männern und Frauen aller Stände um Rat gebeten wurde. Dazu gehörten Päpste, Kaiser, Fürsten und Äbte ebenso wie einfache Bauern, Priester und Ordensleute. Nicht immer schmeichelhaft, oft unbequem: Hildegards Meinung war gefragt
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