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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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doch weil es dort nichts zu sehen gab, hob sie den Blick wieder – und sah direkt in sein lächelndes Gesicht. Ihr Herz schlug einen Purzelbaum, während sich ihr Magen zusammenzog. Verlegenheit übermannte sie wie ein heißer Schwall, und dennoch konnte sie nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Die Zeit schien stillzustehen, während sie sich einfach nur ansahen und ihre Herzen im gleichen Takt zu schlagen begannen, wie zwei Instrumente, die ein gemeinsames Lied anstimmten.
    Als ihre Mutter Daniel Förg – so hatte er sich vorgestellt – den fertigen Trank überreichte, griff er nur zögernd danach, so schwer konnte er sich von ihrem Anblick lösen. Ihr ging es ähnlich. Als seine hochgewachsene, schlanke Gestalt durch die Tür verschwand, da war es, als umklammere eine harte Faust ihr Herz.
    Als sie sich schließlich umdrehte, sah sie, dass ihre Mutter sie eindringlich musterte. In den Mundwinkeln der klugen Frau nistete ein kleines Lächeln, doch ihre Augen waren dunkel vor Sorge. »Er ist der Sohn des höchsten Richters, Dorle«, sagte sie, und Dorothea wusste, was das bedeutete: Als Tochter einer einfachen Hebamme und Heilerin war sie nicht für ihn bestimmt. Schon bald würde Daniel in die Fußstapfen seines Vaters treten und sich standesgemäß verheiraten. Oder besser gesagt, verheiratet werden, dachte sie traurig. Sie war überzeugt, in seinen Augen dieselben Gefühle gesehen zu haben wie die, die sie für ihn hegte.
    Vielleicht hätte sie sich Daniel Förg tatsächlich irgendwann aus dem Herzen reißen können, wenn sie ihn nicht mehr wiedergesehen hätte. Vielleicht wären seine schlanke Gestalt und seine Aquamarinaugen nur noch eine vage Erinnerung gewesen, ein fernes, ziehendes Sehnen, tief verborgen in ihrem Inneren.
    Wenn, ja wenn Dorothea nicht zehn Tage nach Daniels Besuch zum Kräutersammeln gegangen wäre. Der milde Septembertag war ideal, um Wermutblätter zu pflücken, die, getrocknet über die Räume verteilt, das Haus zuverlässig vor Flöhen schützten. Außerdem waren nach drei Tagen warmen Regens die Pilze aus dem Boden geschossen und lockten mit ihrem aromatischen Duft.
    Sie war gerade mit einem Korb am Arm, der von Steinpilzen nur so überquoll, aus dem lichten Gehölz des Waldes getreten, als der Wind schmetternde Hornklänge und Gesang zu ihr herübertrug: »Frischauf zum fröhlichen Jagen, frischauf ins freie Feld! Es fängt schon an zu tagen, das Waidwerk mir gefällt.«
     
    Dorothea hob den Kopf und lauschte. Die Jagdgesellschaft konnte nicht weit sein. Vorsichtshalber zog sie sich ins Dickicht zurück. Sie verspürte wenig Lust, zur Zielscheibe für den Spott und die Anzüglichkeiten der Adeligen zu werden. Außerdem hielt sie nichts von Treibjagden. Ein Tier bis zur Erschöpfung zu hetzen, um es anschließend zu töten, empfand sie als ein barbarisches Vergnügen.
    Hinter dichtem Gestrüpp fast völlig verborgen, beobachtete sie, wie die Gesellschaft aus dem Wald herauspreschte und auf der Wiese zum Stehen kam. Offenbar hatten sie das Wild verloren, und Dorothea konnte sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen. Wild gestikulierend berieten sich die Reiter, ehe sie ihren Tieren die Sporen gaben und über das Feld davongaloppierten.
    Sie wartete kurz, ehe sie sich aus dem Schatten der Büsche löste, um den Heimweg anzutreten. Auf einmal hörte sie Hufschläge hinter sich. Erschrocken wirbelte Dorothea herum. Ein prächtiger Grauschimmel trabte leichtfüßig auf sie zu. Auf seinem Rücken saß, die Armbrust über der Schulter: Daniel.
    Dorothea blieb stehen, als hätte sie ein Bannfluch getroffen und auf der Stelle zu Stein erstarren lassen. In ihrem alten Linnenkleid und mit bloßen Füßen, in der einen Hand den Pilzkorb, in der anderen ein Büschel Wermut, fühlte sie sich neben Daniel wie ein frisch geschlüpftes, zerzaustes Entenküken in Gegenwart eines weißen Schwans. Ihre Wangen wurden heiß vor Scham, und mit einer fahrigen Bewegung versuchte sie, zumindest einige ihrer widerspenstigen, rotgoldenen Locken hinters Ohr zu streichen. Sie wagte kaum, ihn anzusehen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm: Daniel schwang sich vom Pferd, das gleich darauf friedlich zu grasen begann. Als er näher kam, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Verlegen murmelte sie mit Blick auf die saftig grünen Grasbüschel zu ihren Füßen: »Ich hoffe, die Heilkräuter haben Eurem Herrn Vater geholfen.«
    »Ja, ich bin Eurer Mutter zu großem Dank verpflichtet. Sie ist
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