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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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junge Flockin«, sagte Richter Förg, wobei er Dorothea von oben bis unten musterte. Sie hatte Mühe, ihren Widerwillen nicht offen zu zeigen, doch ihre Hände krampften sich so hart um den Korb, dass ihr das Weidegeflecht des Henkels schmerzhaft in die Finger schnitt.
    »Sag deiner Mutter, ich bin ihr zu Dank verpflichtet.« Richter Förg wandte sich an seinen Sohn und zog eine Augenbraue in die Höhe.
    Wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen, folgte Daniel und lief mit steifen Schritten zu seinem Pferd. »Lebt wohl«, murmelte er noch in Dorotheas Richtung, ehe er sich hastig in den Sattel schwang.
    Der Richter schenkte ihr ein träges Lächeln, das spitze Eckzähne entblößte. »Ich bin entzückt«, sagte er leise, aber in ihren Ohren klang es wie eine Drohung und sie erschauerte. Er schlenderte zu dem toten Reh, legte seinen Fuß unter dessen Hals, so dass sich der schlaffe Kopf einen Augenblick hob und die toten Augen Dorothea direkt anzublicken schienen. Der Richter musterte sein Werk. Er nickte zufrieden und ging zurück zu seinem Pferd. Ehe er sich auf dessen Rücken schwang, drehte er sich noch einmal um. Sein Blick bohrte sich in Dorotheas Gesicht. Hastig wandte sie sich ab und floh in den Wald. Was sie in seinen Augen gesehen hatte, war nicht der Stolz eines Jägers. Es war die pure Lust am Töten.
     
    Am nächsten Vormittag stand Daniel vor der Tür. Ihre Mutter war fort, und er beschwor Dorothea, ihn wegen des gestrigen Tages nicht zu hassen. Sie schüttelte nur stumm den Kopf. Natürlich hasste sie ihn nicht, wie konnte er so etwas nur denken! Heftig zog Daniel sie an sich, und sie versanken in einem endlosen Kuss.
    Den ganzen Herbst lang trafen sie sich heimlich. Der Wald wurde ihr Versteck, das duftendweiche, sonnenbeschienene Moos ihr Ruheplatz. Immer wieder versicherte Daniel ihr, wie sehr er sie liebte. Dass er Tag und Nacht an sie dachte und die Stunde, da er sie endlich wiedersah, nicht erwarten konnte. Dorothea wusste, dass ein einfaches Mädchen wie sie niemals ebenbürtige Worte für ihre Liebe zu Daniel finden würde, doch ihre Küsse waren ihm Antwort genug, und engumschlungen sanken sie auf den weichen Moosteppich.
    Dorothea war glücklich, auch wenn sie Daniels Furcht vor seinem Vater spürte und die Sorge im Gesicht ihrer Mutter sah. Sie sagte zwar nichts, aber Dorothea ahnte, dass sie Bescheid wusste.
     
    Als der erste Frost kam und die Bäume morgens mit silberweißem Reif überzog, wusste sie, dass Daniel und sie einen anderen Ort für ihre geheimen Stelldichein finden mussten. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, begann bei der Mutter der Husten. Es war ein hohler, rasselnder Ton, der tief aus ihrem Brustkorb zu kommen schien. Weder die getrockneten Blüten der Königskerze noch die Blätter von Huflattich und Thymian oder die Samen vom Anis verschafften ihr Linderung. Verzweifelt kochte Dorothea einen Sud nach dem anderen, presste Öl aus Kampferblättern und legte der Mutter warme Brustwickel an. Nichts half. Jede Nacht wurde sie von ihrem Keuchen wach, wenn sie krampfhaft nach Luft rang. Ihr rasselnder Atem wurde immer schwerer, als säße der Tod schon auf ihrem Brustkorb und wartete nur darauf, sie zu sich zu holen. Doch Dorothea war entschlossen, den Sensenmann nicht gewinnen zu lassen. Sie wendete sämtliche Heilkünste an, die ihre Mutter ihr jemals beigebracht hatte. Vergebens. Obwohl sie fast ununterbrochen an ihrer Liegestatt saß, konnte sie nicht verhindern, dass ihr die Mutter immer mehr entglitt. Blass, fast durchsichtig, die Stirn nass von kaltem Schweiß und schwach, so schwach, dass sie kaum mehr Dorotheas Hand greifen konnte, lag die einst so schöne, starke Frau zitternd zwischen den Laken. Fieberschübe schüttelten ihren entkräfteten Leib, und Dorothea konnte nichts weiter tun, als die aufgesprungenen, bläulichen Lippen immer wieder mit einem feuchten Tuch zu betupfen. Zum Essen war die Mutter schon seit geraumer Zeit zu matt.
    Irgendwann musste Dorothea eingeschlafen sein, denn sie schreckte hoch, als sie einen Druck auf ihrem Arm verspürte. Sie schlug die Augen auf. Ihre Mutter hielt ihr Handgelenk mit ungewohnter Kraft umklammert. Ihr Blick war klar und fest auf die Tochter gerichtet, die Stimme jedoch kaum mehr als ein Flüstern.
    »Dorle. Ich muss … nun fort«, raunte sie, und nach Dorothea griff eine kalte Kralle der Angst. Sie wollte etwas erwidern, doch ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Pass … gut auf dich auf. Und hüte dich …« Ein
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