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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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eine weise Frau. Genau wie ihre Tochter«, antwortete er, und seine Stimme klang, als ob er lächelte.
    »Ich bin froh, dass wir helfen konnten«, murmelte sie.
    Er schien einen Augenblick zu zögern. »Ja«, sagte er dann gedehnt, »es ist gut, dass er wieder gesundet ist. Mein Vater ist ein jähzorniger Mann, und untätig im Bette zu liegen ist so gar nicht nach seinem Geschmack.« Daniel versuchte, munter zu klingen, doch ein falscher Ton lag in seiner Stimme.
    Dorothea hob den Kopf. Er stand direkt vor ihr und blickte sie aus seinen klaren Wasserquellenaugen an. »Du bist so schön«, sagte er, und das Blut schoss in Dorotheas Wangen. Verlegen grub sie ihre nackten Zehen in die sonnenwarme Erde.
    »Nein, ich …«, stammelte sie, aber Daniel schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Sag nichts. Dich wiederzusehen, davon habe ich geträumt.« Er griff nach ihrer Hand. Dorothea brachte kein Wort heraus, so heftig klopfte ihr Herz. Als er ihre Finger zu seinen Lippen führte und einen federleichten Kuss darauf hauchte, durchfuhr es sie, als wäre ein Blitz in ein Bündel Stroh gefahren und hätte alles lichterloh in Brand gesetzt. Mit zitternden Fingern strich sie über sein Gesicht, und als er sie an sich zog und ihre Lippen sich berührten, wusste sie, dass kein Standesunterschied und keine mütterlichen Warnungen sie davon abhalten konnten, Daniel für immer zu lieben.
    Eine halbe Ewigkeit später lösten sie sich voneinander. Noch etwas atemlos schritten sie aus dem Wald auf die sonnenbeschienene Wiese, an deren Rand Daniels Pferd stand. Auf einmal fasste er sie am Arm und legte sich den Finger auf die Lippen. Dorothea erschrak, doch dann sah sie es auch: Ein Reh war auf die Lichtung getreten. Seine Bewegungen waren vorsichtig, aber dennoch elegant, und Dorothea bewunderte den schmalen, schönen Kopf und das rötlich-goldene Fell des Wildtieres. Daniel blickte sie lächelnd an.
    »Sein Fell hat die Farbe deiner Haare. Aber du bist viel schöner«, sagte er und fügte zärtlich hinzu: »Mein rotes Reh.« Liebevoll spielte er mit ihrem Haar.
    Ein warmes Glücksgefühl durchströmte sie, süßer als der wilde Honig der Bienen, den ihre Mutter immer mit nach Hause brachte. Versonnen beobachtete sie das Tier, das begonnen hatte zu äsen.
    »Es muss schön sein, so frei zu sein«, seufzte Dorothea.
    Daniel nickte, sein Gesicht hatte sich umwölkt. »Ja«, sagte er nachdenklich. »Keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, kein Zwang. Und niemand, der einem sagt, was man zu tun hat …«
    In diesem Moment ertönte eine Art Schnalzen. Dorothea zuckte zusammen. Sie konnte nicht ausmachen, woher das Geräusch kam. Als sie jedoch über die Lichtung blickte, bemerkte sie, wie das Reh den Kopf gehoben hatte und starr in Richtung Wald blickte. Plötzlich knickte es mit den Hinterläufen ein. Verzweifelt versuchte es, sich aufzurappeln, doch dann sackten ihm die Vorderbeine weg und es stürzte zu Boden. Erst jetzt sah Dorothea den Pfeil, der in seinem Hals steckte. Um den Schaft herum hatte sich ein hellroter Fleck gebildet, der sich rasch ausbreitete. Die Augen des Wilds schienen direkt in die ihren zu starren, ehe sein Blick brach. Es war tot.
    Aus dem Wald löste sich der Schatten eines Pferdes. Hastig trat Daniel zur Seite und brachte Abstand zwischen sich und Dorothea. Ehe sie fragen konnte, was dies zu bedeuten hatte, näherte sich der Reiter und stieg vom Pferd. Es war ein großer, dürrer Mann mit kalten, beinahe schwarzen Augen. Das Auffälligste an ihm war die gebogene Hakennase, die über dünnen, verkniffenen Lippen aus einem knochigen Gesicht hervorsprang. Die Armbrust, mit der er das Wild erlegt hatte, hielt er noch in der Hand. Sein Blick war so durchdringend, dass Dorothea instinktiv einen Schritt zurückwich. Er jagte ihr Angst ein.
    Langsam, fast widerwillig, nahm der Mann den Blick von ihr und wandte den Kopf zur Seite. »Daniel«, sagte er nur. Seine Stimme klang hart und schneidend. Wie ein Messer, dessen Klinge mühelos durch das weiche Fleisch des Rehs gleiten könnte, dachte Dorothea angewidert. Als sie den Kopf drehte, sah sie einen angespannten Zug um Daniels Mund.
    »Vater«, antwortete er tonlos, und sie erschrak. Dieser Raubvogelmann war also Bambergs höchster Richter. Und Daniel sein Sohn.
    »Vater, dies ist Dorothea Flock. Ihre Mutter hat Ihnen den Heiltrank zubereitet, als Sie krank darniederlagen«, sagte Daniel förmlich, aber sie hörte deutlich das Stocken in seiner Stimme.
    »Sieh an, sieh an, die
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