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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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Beinen sein würde. Dorothea hatte den Winter über auf einen wunderschönen indigofarbenen Stoff gespart, aus dem sie heimlich, ohne dass Daniel es merkte, ein Kleid genäht hatte. Nun drehte sie sich in der Mitte der Stube und freute sich daran, wie der nachtblaue, lange Rock um ihre Knöchel flog. Genauso, hoffte sie, würde sie bald in Daniels Armen über den Tanzboden wirbeln. Und alle würden sehen, dass sie zu ihm gehörte.
    Als sie den Festplatz betrat, drängte sich bereits halb Bamberg zwischen Buden, Gauklern, Musikanten und allerlei buntem Volk. Die Leute drehten sich nach dem schönen Mädchen um, dessen tiefblaues Kleid ihre helle Haut schimmern ließ und das feurige Rotgold ihrer Haare noch unterstrich. Doch Dorothea hatte für keinen ihrer Bewunderer einen Blick. Sie hielt nur nach Daniel Ausschau. Endlich sah sie ihn. In seinem silbergrauen Samtwams und der schwarzen Kniehose sah er aus wie ein König. Dorothea glaubte, ihr Herz würde gleich zwischen den Rippen hervorspringen, so heftig schlug es. Nun hatte auch Daniel sie entdeckt und lächelte. Wie einstudiert, begann in diesem Moment die Musik zu spielen. Mit strahlenden Augen ging Dorothea auf Daniel zu, überzeugt, gleich von ihm zum Tanz aufgefordert zu werden.
    Doch plötzlich vertrat ihr eine hochgewachsene Gestalt den Weg, und wie ein schwarzer Rabe den Himmel verdüstert, fiel sein dunkler Schatten auf sie. Es war Richter Förg. Dorothea blieb wie angewurzelt stehen. Seine kalten, schwarzen Augen, die ihr schon damals im Wald ein starkes Unwohlsein eingeflößt hatten, ruhten auf ihrer schlanken Gestalt. Seine knochige Hand mit den langen, dürren Spinnenfingern berührte nur kurz ihren Arm, doch es genügte, um Dorothea unwillkürlich zusammenzucken zu lassen.
    »Mache sie mir die Freude und tanze sie mit mir«, sagte der Richter und entblößte seine nadelspitzen Zähne, was ihm etwas Raubtierhaftes verlieh.
    Dorothea brachte vor Entsetzen kein Wort über die Lippen. Hilfesuchend sah sie zu Daniel. Der stand drei Schritte hinter seinem Vater und rührte sich nicht. Als sich ihre Augen trafen, hielt er Dorotheas verzweifeltem Blick nur für eine Sekunde stand, ehe er den Kopf senkte. Ohne aufzusehen, drehte er sich um und schlich wie ein geprügelter Hund davon.
    Dorothea starrte ihm fassungslos nach. Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, dass Daniel – der Mann, mit dem sie den ganzen Winter verbracht hatte – sie gerade schmählich im Stich ließ, versperrte ihr das hagere Raubvogelgesicht des Richters erneut die Sicht. Auffordernd bot er Dorothea seinen Arm. Trotz der höflichen Geste erkannte sie die Drohung in seinen Augen, und ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Mit steifen Schritten ging sie an seiner Seite zum Tanzboden.
    Drei Tänze hielt sie durch, dann konnte sie nicht mehr. Ihr ganzer Körper schmerzte von der Verkrampfung, die seine Berührungen in ihr auslösten. War das erste Stück, ein Reigentanz, noch erträglich, da die Partner wechselten, konnte sich Dorothea bei den folgenden Zweiertänzen, einer Allemande und einer Gigue, dem Gefühl stetig wachsender Abscheu nicht mehr erwehren.
    Als die Musiker für einen Moment die Instrumente absetzten, zog sie hastig ihre Hand aus seinem Griff und sagte: »Verzeiht, hoher Herr. Aber ich fühle mich unpässlich und bitte darum, nach Hause gehen zu dürfen.«
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern wirbelte herum und floh. Im Laufschritt legte sie den Weg nach Hause zurück. Aufgewühlt und tränenblind hatte sie weder einen Blick für den Fluss, der ruhig und dunkel unter Bambergs Brücken hindurchfloss, noch für die festlich erleuchteten Gärten der kleinen Fischerhäuschen, die für das Stadtfest mit zahllosen Fackeln geschmückt worden waren. Dorothea wollte nur noch heim.
    Dort angekommen, stand jedoch kein Daniel vor der Tür, der sie um Verzeihung bat. Dorothea wartete, bis das Talglicht in ihrer Schlafkammer ganz heruntergebrannt war, doch er kam nicht. Kurz bevor das erste Morgenrot den Himmel färbte, fiel sie in einen fiebrigen, unruhigen Schlaf.
    Als sie erwachte, fühlte sie sich erschöpft und zerschlagen. In diesem Moment fehlte ihr die Mutter besonders schmerzlich, weil sie ihr »Dorle« einfach in den Arm genommen und ihre Tränen getrocknet hätte. So aber gab es keinen Trost. Und keine Hoffnung.
    Mühsam schleppte sie sich durch den Vormittag. Mechanisch rührte sie aus Hirschtalg und frischem Wermutsaft eine Salbe für die
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