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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem
Autoren: Wolfgang Burger
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unterdrückte ein Jauchzen. Vermutlich hatten sie maximal mit Ausgang bis neun gerechnet.
    »Und wie löst man nun das Problem mit den Abfällen?«, fragte Vangelis.
    »Die Burschen haben jede Menge Tricks entwickelt. Du kannst die Kanister einfach irgendwo vergraben, zum Beispiel. Ist aber nicht ganz ungefährlich. Du kannst dabei gesehen werden. Jemand kann die Dinger finden, und deine Fingerabdrücke sind drauf.« Unglücklich wie ein Angeklagter rutschte Hanning auf seinem Stuhl herum.
    »Ich hatte nicht vor, in dieses Geschäft einzusteigen«, warf ich grob ein.
    Er wurde noch kleiner. »Entschuldigung. Wollte nur sagen …«
    »Okay. Weiter im Text.« Ich war wütend auf mich selbst, weil ich meinen Ärger über mein Versagen als Vater auch noch an einem Untergebenen ausließ.
     
    »Ein paar ganz Schlaue klauen sich einen Lieferwagen, packen ihn voll und stellen ihn dann auf irgendeinem Parkplatz ab. Muss man natürlich auch aufpassen mit Fingerabdrücken und Spuren. Ist also auch nicht so genial.«
    »Und was machen die Genialen?«, fragte Balke erschöpft.
    »Wenn es in der Nähe einen Bach gibt, kannst du einen dünnen Schlauch legen und das Zeug Tropfen für Tropfen ablassen. Ganz, ganz langsam. So wird es bis ins Unendliche verdünnt. Und dann gibt es seit neuestem noch diesen Trick mit der Autobahn. Du packst die Kanister ins Auto und lässt das Zeug auf der Autobahn tropfenweise ab. Nach fünfhundert Kilometern oder so ist es dann verschwunden. Einfach verschwunden.«
    Ich dachte an Patrick Grotheers Kombi, den wir bisher nicht gefunden hatten, obwohl er längst zur Fahndung ausgeschrieben war.
    »Wo kriegt man die Rezepte her?«
    »Aus dem Internet. Wenn Sie mögen, dann zeig ich Ihnen nachher ein paar Seiten.«
    »Wie viel muss man investieren?«
    »Zwei, dreihundert Euro.«
    »Und was kann man dabei verdienen?«
    »Wenn Sie’s nicht gleich übertreiben, vier, fünftausend im Monat.«
    Ich bedankte mich und schickte ihn weg. Dann diskutierten wir kurz und beschlossen, noch einen Tag zu warten. Wenn Grotheers Kombi bis dahin nicht aufgetaucht war, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Wir vermuteten, dass es sich dabei um eine Art Firmenfahrzeug handelte.
    »In der Wohnung hat er seine Tabletten definitiv nicht hergestellt«, überlegte ich. »Also muss es irgendwo ein Labor geben, vielleicht im Umkreis von vierzig, fünfzig Kilometern. Weit genug, dass man die Spur nicht so leicht zurückverfolgen kann. Nah genug, dass er nicht jedes Mal eine Weltreise machen musste, um es zu erreichen.«
    »Und da wird er wohl kaum mit dem Ferrari hingefahren sein«, meinte Balke aufmerksam nickend. »Haben wir den Kombi, dann haben wir früher oder später auch das Labor. Da müssen Spuren dran sein, an den Reifen zum Beispiel.«
    Die Chancen standen gut. Alle Polizisten im Umkreis von einhundert Kilometern waren informiert. Und ein Auto kann man nicht so leicht verschwinden lassen.
    Wir mussten herausfinden, wo Grotheer sich in letzter Zeit herumgetrieben hatte. Wen er getroffen hatte, welche Lokale er zu besuchen pflegte und welche Straßen er öfter fuhr, die vielleicht in verlassene Gegenden führten.
    Mein Handy klingelte erneut. Die Mädchen wollten wissen, ob sie sich Brote schmieren durften. Und die Bratwürste aus dem Eisfach mitnehmen, die ich ohnehin längst vergessen hatte. Und ob sie sich zwei große Flaschen Cola kaufen durften. Diese Party schien das Ausmaß einer kleinen Kirmes anzunehmen.
    Beim verspäteten Mittagessen stellte ich fest, dass die Polizeidirektion über eine recht akzeptable Kantine verfügte. Leider musste ich allein am Tisch sitzen. Meine Untergebenen hatten offenbar ihre eingefahrenen Tischgewohnheiten, und Liebekind saß mit wichtigem Besuch zusammen. Die Königsberger Klopse schmeckten, auf einmal hatte ich gute Laune und fühlte mich wohl. Die meiste Zeit dachte ich an eine große blonde Ärztin mit wasserblauen Augen und hinreißendem Lächeln.
    Ich beschloss, meinen Antrittsbesuch bei der Staatsanwältin auf morgen zu verschieben, um mir meinen ersten Tag nicht zu verderben. Vor mich hinsummend unterschrieb ich einige Papiere, von denen meine Sekretärin meinte, dass sie unterschrieben werden mussten. Sie besorgte mir einen der Würde meines Amtes angemessenen Terminkalender, und ich trug ein paar erste, unwichtige Sachen ein, damit etwas drinstand. Dann ließ ich mir ein Telefonbuch bringen. Marianne Schmitz wohnte wie ihr Chef in Neuenheim, nur einen halben Kilometer von
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