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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen
Autoren: Wolfgang Burger
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mageren Hände krampften sich zu bebenden Fäusten. »Zum Glück hat mir die Firma noch drei Monatsgehälter überwiesen. So konnte ich ihm wenigstens eine anständige Beerdigung bezahlen.«
    Beerdigung. Es gibt kein Wort, das ich mehr hasse.
    »Wenigstens kann ich Björn bei meiner Mutter lassen, wenn ich arbeiten gehe. Aber sie ist schon dreiundsiebzig und nicht mehr so gesund, und …« Mit zitternder Unterlippe verstummte sie. Lange sah sie durch mich hindurch. »Manchmal weiß ich nicht, wie alles weitergehen soll«, flüsterte sie endlich. »Kinder kosten so viel Geld. Alle paar Wochen braucht er etwas Neues zum Anziehen. Sie wachsen doch so schnell in diesem Alter.«
    Björn hieb mit beiden Händen auf den Tisch und strahlte mich an, als wären wir alte Kumpels.

2
    Meine gerstenblonden Zwillinge saßen in der Küche, tippten auf ihren neuen Handys herum, aßen ohne hinzusehen selbst gebratenes Rührei und waren wieder einmal böse auf mich. Leider nicht ganz zu Unrecht. Ich hatte einfach zu wenig Zeit für sie.
    Als Beilagen gab es Ketschup sowie ihr innig geliebtes und offenbar zu jeder Mahlzeit passendes Nutella-Brot.
    »Wie üblich« hatte es nichts zu essen gegeben. »Wie üblich« hatte ich mich lieber meinen Hobbys gewidmet als meinen armen, vernachlässigten Töchtern. Als ob Joggen ein Hobby sein könnte.
    »Dabei warst du ja nicht mal joggen«, konstatierte Louise mit blitzenden Augen. »Dein Anzug ist ganz trocken!«
    »Und außerdem riechst du nach Knoblauch«, fügte Sarah kauend hinzu.
    Ich versuchte den Trick, den alle Feldherren anwenden, wenn eine Schlacht verloren zu gehen droht. Ich eröffnete eine zweite Front. »Habt ihr eure Französisch-Hausaufgaben gemacht?«
    Sie wurden kein bisschen verlegen. Es schien nichts zu werden mit der zweiten Front. »Logo!«
    »Die will ich sehen.«
    »Ist nicht nötig«, behauptete Louise unerwartet selbstbewusst. »Die sind schon okay.«
    »Wir haben alles genau überprüft«, ergänzte Sarah. »Und außerdem haben wir eine Eins bis Zwei in Mathe.«
    »Beide?«
    »Beide.«
    »Und was heißt das genau, überprüft?«
    Theatralisch seufzend rollten sie die Augen. »Wir haben einen Neuen in der Klasse, Franky. Der ist total super in Französisch. Und der hat uns geholfen.«
    »Mit anderen Worten, er hat euch am Telefon diktiert, was ihr schreiben sollt.«
    Aus ihrer Reaktion schloss ich, dass ich richtig lag mit meinem Verdacht.
    »Außerdem habt ihr den Müll nicht runtergebracht.«
    »Sarah ist dran.« Louise wandte sich demonstrativ wieder ihrem Handy zu.
    »Stimmt gar nicht«, widersprach die andere. »Ich hab’s nämlich die letzten beiden Male gemacht!«
    »Dafür hab ich am Montag die Spülmaschine und …«
    »Und ich am Sonntag …«
    »Es ist mir völlig egal, wer ihn runterbringt«, fuhr ich den beiden lautstark ins Wort. »In einer Viertelstunde ist das Zeug verschwunden, oder ich kippe es in euer Zimmer.«
    Nun entspann sich ein längerer und lautstarker Disput über die Unterschiede zwischen modernen und mittelalterlichen Erziehungsmethoden. Am Ende schleppten sie die Mülltüte maulend gemeinsam hinunter.
    Um die Wogen ein wenig zu glätten, erzählte ich ihnen später die Geschichte von der Frau, die ihr Auto verloren hatte. Die Hintergründe verschwieg ich natürlich. Mit ihren vierzehn Jahren waren die Mädchen noch ein bisschen jung für Bettgeschichten. Dass es sich um eine solche handelte, stand für mich außer Zweifel.
    »Sie will rausfinden, warum ihr Mann verunglückt ist, und du wirst ihr dabei helfen?«, fragte Sarah mit runden Augen.
    »Das ist ja keine große Sache. Wozu bin ich bei der Kripo. Ich werd mich morgen früh ans Telefon hängen, und nach spätestens einer Viertelstunde ist die Sache erledigt.«
    »Wo liegt eigentlich Saarbrücken?«, wollte Louise wissen.
    »Das meinst du ja hoffentlich nicht ernst«, stöhnte ich. »Was lernt ihr denn in der Schule? Saarbrücken, das liegt von hier aus im Westen, jenseits der Pfalz und kurz vor der französischen Grenze.«
    Sie sahen sich an und begannen, Theorien zu entwickeln.
    »Wenn der nach Westen gewollt hätte …«
    »… dann wäre er ja nie im Leben an den Neckar gefahren!«
    »So doof kann ja keiner sein.«
    »Und er ist mitten in der Nacht verunglückt!«
    »Er muss da irgendwo übernachtet haben.«
    Sie brauchten eine Minute und zwanzig Sekunden.
    »Der ist bestimmt fremdgegangen«, fasste Sarah die Ergebnisse ihrer Analysen zusammen. »Da muss eine Frau dahinter
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