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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen
Autoren: Wolfgang Burger
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war kalt. Frau Brenneisens Bockwürste dufteten. Mein Magen knurrte. Ich war wütend auf mich, meine Töchter, Theresa und die Welt und beschloss, das Joggen heute zu lassen. Stattdessen würde ich das Abendessen auf eine Scheibe Vollkornbrot mit Kräuterquark reduzieren und auf den Rotwein verzichten. Bald würde der Frühling kommen und mit ihm die Wärme. Dann würde es abends wieder länger hell sein. Winter ist einfach eine schlechte Zeit, um Charakter zu beweisen.
    »Stellen Sie sich vor, wenn die zwei Mörder nach Heidelberg kommen, und Sie können sie festnehmen! Dann sieht man Sie endlich mal wieder in der Zeitung.«
    Ich legte keinen Wert darauf, in die Zeitung zu kommen.
    Endlich summte das Handy in meiner Hosentasche, und ich durfte der Frau mit dem Baby die frohe Botschaft überbringen, dass ihr Passat in der Bunsenstraße im absoluten Halteverbot stand und eben im Begriff war, auf einen Abschleppwagen geladen zu werden. Wie ich befürchtet hatte, begann sie sofort zu weinen. Das Kind stimmte mit beachtlicher Lautstärke ein.
    Ich kann es nicht ertragen, wenn in meiner Gegenwart geweint wird, weil ich mich dann unweigerlich schuldig fühle. Wie ich erwartet hatte, wusste sie nicht, wo die Bunsenstraße war.
    So telefonierte ich erneut, besänftigte einen herzhaft fluchenden Abschleppwagen-Fahrer, beruhigte zwei sehr verwunderte Schupos und versprach dem tränenfeuchten Paar vor mir, sie auf dem Weg zu ihrem verschollenen Fahrzeug zu begleiten, damit sie nicht noch einmal verloren gingen.
    Frau Brenneisen sah uns nach mit dem Blick eines Menschen, der seine gute Tat für heute vollbracht hat.
    Der Name der Frau war Vanessa Kriegel, erfuhr ich, während sie mit dem Kind im Arm neben mir her lief. Björn war neun Monate alt, nur acht Wochen vor dem plötzlichen Tod seines Vaters geboren. Sie wohne in Viernheim, erzählte sie mir, und habe eigentlich gar nicht vorgehabt, in Heidelberg Halt zu machen. Langsam gingen wir die Römerstraße nordwärts, aber wir kamen keine zweihundert Meter weit. An der Ecke zur Blumenstraße bemerkte ich, dass sie plötzlich zurückblieb. Ich konnte ihr gerade noch den Jungen abnehmen und sie am Oberarm festhalten, sonst wäre sie zusammengebrochen.
    »Mir ist auf einmal so komisch«, flüsterte sie, fasste sich an die Stirn und stützte sich mit der anderen Hand gegen die Hauswand. »Ich weiß gar nicht …«
    »Haben Sie denn etwas zu Mittag gegessen?«
    Als müsste sie sich dafür schämen, hungrig zu sein, schüttelte sie den Kopf. Björn sah mich neugierig an und strampelte vergnügt. Er schien mich zu mögen. Ich hingegen mochte ihn nicht. Da ich selbst nur Töchter hatte, fand ich kleine Jungs immer schon hässlich. Vermutlich findet jeder nur die eigenen Babys schön. Dabei hatte Björn den zierlichen Körperbau seiner Mutter geerbt und vielleicht das fein geschnittene Gesicht des Vaters. Und wenn der Kleine einen anstrahlte, dann fiel es bei aller schlechten Laune schwer, nicht zu lächeln. Aber ich mochte ihn trotzdem nicht.
    Wenige Schritte zurück war der Eingang zum Kalimera, einem griechischen Restaurant. Da ich die Frau in ihrem Zustand unmöglich nach Hause fahren lassen konnte, bugsierte ich Vanessa Kriegel in den dämmrigen Gastraum. Griechen sind von Natur aus kinderlieb, und da wir die ersten Gäste waren, konnten alle Anwesenden sich mit überwältigender Inbrunst um Mutter und Kind kümmern. Björn wurde vorne und hinten gekrault und betatscht, ein Hochstuhl herbeigeschleppt, Vanessa Kriegel gebührend bemitleidet und umsorgt. Irgendjemand fand sogar eine Strickjacke für sie.
    Die hagere, weißhaarige Wirtin glaubte mir unbesehen, dass ich Polizist sei und morgen bezahlen würde, da ich zum Joggen natürlich weder Geld noch einen Ausweis mit mir führte. Sie war fast beleidigt, als ich zu weiteren Erklärungen ansetzen wollte. Hier galt es, das Leben eines Kindes zu retten, und so saßen wir im Nu am Tisch und studierten die Speisekarte.
    Aus der Küche drangen verlockende Düfte. Mein Magen knurrte schon wieder vorwurfsvoll. Heute Mittag hatte ich mir nur einen gemischten Salatteller erlaubt. Aber da ich für heute genug gelitten hatte, würde ich mir nun eine kleine Ausnahme gönnen. Einen solchen Tag konnte ich unmöglich hungrig beenden. Bestimmt hatten auch Griechen Vegetarisches, Kalorienreduziertes auf der Karte. Irgendeine Kleinigkeit. Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für die Athen-Platte mit Pommes und ein Viertel Athos dazu.
    Für
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