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Heaven (German Edition)

Heaven (German Edition)

Titel: Heaven (German Edition)
Autoren: Alexandra Adornetto
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sah mir misstrauisch entgegen, auch wenn er derjenige von uns beiden war, der mit Tattoos übersät war.
    «Hi, Kleine», sagte er unsicher. «Brauchst du Hilfe?»
    «Ich will einfach nur nach Hause.»
    «Harte Nacht gehabt?» Ohne Zweifel ging er davon aus, dass Drogen im Spiel waren. Ich nickte. Es war einfacher, ihn in dem Glauben zu lassen, als irgendeine andere Erklärung zu suchen.
    «Soll ich dich vielleicht ins Krankenhaus bringen und durchchecken lassen?»
    «Nein, ich will einfach nur nach Hause und schlafen. Mein großer Bruder wird sich um mich kümmern. Er wohnt ganz in der Nähe.»
    Dass ich meinen Bruder nannte, hatte den gewünschten Effekt. Die Miene des Truckers entspannte sich sichtlich, er konnte die Verantwortung abgeben.
    «Also gut, dann sag mir, wo es hingeht», sagte er und warf die Reste seines Burgers in den Müll. Dann packte er mich am Ellenbogen und half mir auf den Beifahrersitz seines Trucks. Leere Getränkedosen und Verpackungen flogen auf dem Boden herum. Es roch nach Pommes, vermischt mit Leder und Zigaretten, wodurch es mir nicht gerade besser ging. Vielmehr konnte ich jetzt Übelkeitsanfälle zur Liste meiner Symptome hinzufügen. Ich kurbelte das Fenster hinunter und atmete die frische Nachtluft ein. Es half, ich schaffte es, den Würgereiz zu unterdrücken, auch wenn ich gar nichts im Magen hatte.
    «Wie heißt du, Süße?»
    «Beth.»
    «Hübscher Name. Ich heiße Lewis.» Er bot mir eine Dose Mineralwasser an. «Hier, nimm, du bist bestimmt dehydriert. Das passiert schon mal, wenn man zu viel trinkt.»
    «Danke.» Ich nahm das Wasser und trank es dankbar aus. Es reinigte meinen Hals, und mein Kopf wurde klarer.
    «Was hast du bloß für Freunde? Haben die dich ganz allein so zurückgelassen?»
    «Ich war allein.»
    «Liebeskummer?»
    «Kann man so sagen.»
    «Lass es dir von einem alten Kerl wie mir gesagt sein: Selbst wenn der Junge der König von England wäre – er ist es nicht wert.»
    Zum Glück kannte sich Lewis in der Stadt aus und bog bald schon in die Byron Street ein. Sie wirkte wie ausgestorben, abgesehen von den Motten, die unter den Straßenlaternen tanzten. Lewis wurde langsamer und wartete auf ein Zeichen von mir, wo er anhalten sollte. Als wir an den herrschaftlichen Häuern mit den englischen Gärten und den Kiesauffahrten vorbeifuhren, richtete ich mich auf und suchte die Straße mit den Augen nach der vertrauten Einfahrt ab.
    Als das Haus endlich in Sicht kam, an der Stelle, bevor die Straße anstieg, war ich so gebannt, dass ich beinahe vergaß, Lewis zum Halten aufzufordern. Das Haus mit der großen Veranda und der efeubedeckten Ulme im Vorgarten begrüßte mich wie ein alter Freund. Hinter dem schmiedeeisernen Zaun standen Ivys gestutzte Rosensträucher in Reih und Glied. Die Vorhänge im Wohnzimmer waren offen. Im sanften Licht einer Lampe sah ich die hohen Bücherregale, einen verschlissenen antiken Sessel und ein antikes Klavier. Im Kamin glühten noch die Reste eines Feuers.
    Dann setzte mein Herz für einen Moment aus. Vor der Tür parkte ein restaurierter himmelblauer 1956er Chevy. Ich verspürte dieselbe Aufregung wie damals, als ich den Jungen mit den türkisfarbenen Augen zum ersten Mal gesehen hatte, beim Angeln am Pier. Es schien Ewigkeiten her zu sein. Eins aber wusste ich: Was auch immer geschehen war, spielte jetzt keine Rolle mehr.
    Ich war wieder zu Hause.

[zur Inhaltsübersicht]
    33
    Morgendämmerung
    Es war ein seltsames Gefühl, plötzlich wieder vor Haus Byron zu stehen. Beinahe, als wäre gar keine Zeit vergangen. Alles Leid schmolz dahin, und ich spürte tief in mir, dass diese Nacht den Beginn eines neuen Lebens markierte. Noch einmal atmete ich die klare Nachtluft ein, um mein klopfendes Herz zu beruhigen. Ich wollte diesen Moment für immer bewahren, denn er war der Anfang von allem.
    Jetzt, wo mich nur noch wenige Meter von Xavier trennten, fühlte ich mich auf einmal unsicher. Schließlich befand ich mich in einem ziemlich erbarmungswürdigen Zustand. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und kratzte mir den Sand von den nackten Füßen. Dann erst öffnete ich das schmiedeeiserne Tor und ging den Weg entlang, wie schon so oft als Engel. Jetzt tat ich es zum ersten Mal aus eigener Kraft als Mensch. Die Steine fühlten sich unter den Füßen kalt an, und die Luft roch nach Frühling. Es war eigenartig, wie alles so unverändert und gleichzeitig vollkommen anders sein konnte. Ich trat auf die Veranda. Die dritte Stufe knarrte,
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