Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
Vom Netzwerk:
lag.
    Unter ihnen schossen die Silhouetten der Häuser dahin und die beleuchteten Straßenzüge ohne jeden Autoverkehr. Brandenburg bei Nacht. Wo sollte er hier Werner und Tim finden?
    Über dem Klinikum kippte der Hubschrauber zur Seite und blieb dann über dem Landeplatz der Rettungsflieger stehen.
    »So und jetzt gucken wir mal, wo wir in zwei Minuten sind, wenn wir in Richtung Päwesin fliegen«, sagte der Pilot und neigte die Maschine wieder leicht nach vorn, bevor sie in Richtung Beetzsee schoss.
    »Achtundfünfzig, neunundfünfzig, zwei Minuten«, zählte der Operator und sah aus dem Fenster. »Das ist der Silokanal. Könnte das passen?«
    »Ja, das passt.« In Manzetti keimte wieder so etwas wie Hoffnung. »Ich habe nämlich auch noch eine Schiffssirene gehört. Können wir noch mal anrufen?«
    »Wen denn?«
    »Meine Kollegin. Die muss die Bodenkräfte hierher holen.«
    »Dazu nehmen wir lieber den Funk, dann können nämlich alle mithören.« Der Pilot gab ihre Position durch und beorderte Sonja mit ihrem Tross zum Bollmannweg.
    Dann hörte Manzetti wieder die Stimme des Operators, der bereits die Infrarotkamera bediente. »Da sind vier Ziele auf dem Bildschirm. Auf elf Uhr, neben einem Schubschiff. Ich kann noch nicht erkennen, ob es Personen sind.«
    Der Pilot veränderte nur ganz minimal die Position und bewegte sich wieder nur im Schritttempo in Richtung Kaimauer.«
    »Gut so«, lobte der Operator. »Jetzt sehe ich sie deutlich. Vier Personen. Zwei stehen und zwei liegen im Gebüsch. Geh mal ein bisschen höher.«
    Die Maschine stand jetzt direkt über der Schnittstelle von Silokanal und Beetzsee und gewann schnell an Höhe.
    »Die beiden Stehenden halten etwas in der Hand«, sagte der Techniker. »Könnten Pistolen sein.«

    ***

    Als Michaelis den Hubschrauber hörte, folgte er einem Reflex und drückte Tim fast in die Erde. Sein T-Shirt klebte vorne am Bauch, vermutlich mit dem verkrusteten Blut von Kutzner. Ihm wurde übel und er drohte sich zu übergeben, und das kam nicht allein von den dauernden Schmerzen, die einfach nicht aufhören wollten, sondern wohl auch vom Stress, der von seinem gesamten Körper Besitz ergriffen hatte. Er hatte mitbekommen, dass sich eine Komplizin zu der ersten Frau gesellt hatte und dass beide eine Pistole in der Hand hielten. Sie sprachen miteinander, worüber konnte er allerdings nicht verstehen.
    Er begann zu würgen, zwang sich aber, die gallige Masse, die ihm in den Mund geschossen war, wieder hinunterzuschlucken. Bloß keinen Laut hören lassen, war jetzt seine oberste Maxime. Das Schlucken fiel ihm schwer, nicht wegen des üblen Geschmacks, aber sein Gaumen und der gesamte Hals fühlten sich an wie bei einer schweren Angina. Die Schmerzwelle stieg vom Nacken hoch und setzte sich über die Kopfhaut bis in die Stirnregion fort, wo sie zu einem hämmernden Stechen in beiden Schläfen auslief. Noch nie in seinem Leben war es ihm so jämmerlich gegangen, und noch niemals zuvor hatte er solche Angst gehabt.
    Unter ihm blieb es völlig still. Tim bewegte sich keinen Millimeter, nur sein kleiner Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge. Auch ihn hielt die nackte Panik fest im Griff.
    Als Schritte auf sie zukamen, breitete Michaelis seinen Oberkörper noch weiter über den kleinen Körper, bis der ganz unter ihm verschwunden war, und hörte angestrengt auf das, was durch den Lärm des Hubschraubers noch zu ihm durchdringen konnte.
    Und das war ein einzelner, heller Knall.
    Durch seinen Instinkt getrieben, kniff er beide Augen zusammen und merkte, wie sich ein Sternenmeer über seine Netzhaut ergoss, wie sich erst ruckartig, dann wie in Zeitlupe, der Schmerz in der rechten Schläfe vervielfachte und zu einem Druck steigerte, der seinen Kopf in wenigen Augenblicken wie einen Luftballon platzen lassen würde. Bevor das aber geschah, nahm er plötzlich leise rhythmische Musik wahr und glaubte sich inmitten eines an Farbenfreude nicht zu übertreffenden Lichtspiels.
    Dann entspannte sich sein Körper und er verlor das Bewusstsein.

    ***

    »Da wird geschossen«, rief der Pilot und riss den Hubschrauber noch ein Stück höher. »Ich mache jetzt den Scheinwerfer an.«
    »Noch nicht«, forderte Manzetti, denn er sah, wie sich von den Streifenwagen dunkle Gestalten näherten und einzeln hinter Bäumen in Deckung gingen. Das mussten die Bodenkräfte um Sonja sein.
    »Die sehen sonst nichts mehr«, fügte er noch hinzu, denn aus Erfahrung wusste er, dass der Scheinwerfer ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher