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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah
Autoren: Julia Crouch
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das Theater sein«, sagte Olly, der durch den Vorhang seiner ihm ins Gesicht hängenden Haare aus dem Wagenfenster spähte.
    Lara stellte den Motor ab, und sie stiegen aus. Die klebrige Schwüle des Abends nach der eisigen Klimaanlagen-Luft im Wagen überraschte sie. Bis auf wenige parkende Autos wirkte die Straße wie ausgestorben, aber die Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen, das von einem elektrischen Summton verstärkt wurde. In der Ferne bellten Hunde. Ein schwerer, moschusartiger Geruch hing in der Nacht. Ein bisschen wie von einem Fuchs, dachte Lara, nur strenger. Wie die Innenseite eines neuen Gummihandschuhs.
    »Und was jetzt?«, wollte Bella wissen. Sie hatte Jack aus seinem Kindersitz geholt, und er klammerte sich wie eine verschwitzte, schläfrige Napfschnecke an ihr Bein.
    Wie als Antwort auf ihre Frage öffnete sich rumpelnd und klappernd die Tür des hohen Gebäudes, und ein großer Mann kam mit ausgebreiteten Armen die Verandastufen heruntergeeilt. Die Schöße seines weißen Baumwollhemds flatterten hinter ihm her wie eine weiße Fahne.
    »Ihr habt es geschafft!«, rief er, als er über den Rasen gelaufen kam und Marcus in die Arme fiel.
    »James!«, sagte Marcus und erwiderte die feste Umarmung. »Wie geht’s dir, altes Haus?«
    »Die Proben bringen mich schier um den Verstand, aber bei deinem Anblick lebe ich gleich auf, mein Lieber«, erwiderte James und machte einen Schritt zurück, um sie alle zu betrachten. »Und hier ist die ganze kleine Familie! Wie wunderbar! Ein herzliches Willkommen euch allen.« Er reichte jedem der Reihe nach seine schwitzige Hand, dann drückte er Lara einen feuchten Kuss auf die Wange. »Lara, Schatz. Das ist ja Ewigkeiten her. Damals konnte er hier –«, er bückte sich, um Jack seine blendend weißen Zähne zu zeigen, »– gerade erst laufen. Na, sind wir denn nicht ein bisschen zu alt für einen Nuckel?« Er hob eine Braue und sah Jack in gespielter Strenge an. Dieser drückte sich noch fester ans Bein seiner Schwester. Er verstand nicht, dass der Tadel nur ein Scherz gewesen war.
    »Tretet ein!« James richtete sich wieder auf, legte den Arm um Marcus und führte ihn die Stufen zum Eingang hinauf. »Ihr hattet eine gute Reise, nehme ich an? Ihr braucht einen Happen zu essen. Ein Bier.«
    Der Rest der Familie wollte folgen, doch der kleine Jack, verstört durch so viel Überschwänglichkeit zu so später Stunde und die ungewohnte Umgebung, hielt Bella fest und rührte sich nicht vom Fleck.
    »Na komm, Jacko«, sagte Lara und machte ihn von seiner Schwester los. Als sie ihn hochhob und ihn sich auf die Hüfte setzte, bemerkte sie das verräterische schmatzende Geräusch und den Geruch einer vollen Höschenwindel. Marcus warf ihr immer wieder vor, sie würde Jack wie ein Baby behandeln, aber die Blasenkontrolle im Schlaf bereitete ihrem Jüngsten noch Probleme, und außerdem hatte sie auf der langen Reise kein Risiko eingehen wollen.
    »Gib mir mal Jacks Tasche«, bat sie Olly, der seufzend in den Wagen langte und im Fußraum vor Jacks Sitz herumwühlte. Er zog die blaue Reisetasche hervor und reichte sie mit einem Schwung an seine Mutter weiter.
    Die zwei Männer waren weitergegangen. Sie hatten nichts von der Verzögerung bemerkt. Marcus redete lebhaft, während James aufmerksam lauschte.
    So weit also alles wie immer, dachte Lara.
    Als sie und die Kinder das hohe, holzgetäfelte Foyer betraten, hatte James bereits Getränke und einen Imbiss bereitgestellt.
    »Willkommen, ihr alle«, sagte er erneut und reichte Bierflaschen herum. »Willkommen bei der Trout Island Theatre Company. Ich dachte, wir essen noch rasch ein paar Chips mit Dips, bevor ich euch eure neue Bleibe zeige. Haut rein, Waylands!«
    James war um die fünfzig und auf eine überpflegte, wohlgenährte Art attraktiv. Er kleidete sich wie jemand, dem man vielleicht an einem Strand in Goa hätte begegnen können: thailändische Fischerhosen, offenes Baumwollhemd, Birkenstocks. Sein Anblick hatte etwas leicht Verstörendes an sich, wie ein überfütterter Otter, der im Schönheitssalon gewesen war.
    »Jack muss gewickelt werden«, sagte Lara zu Marcus.
    »Hat das nicht Zeit?«
    »Nein, hat es nicht.«
    James deutete quer durchs Foyer. »Du kannst die Toilette benutzen.«
    In der Damentoilette setzte Lara Jack auf den ausklappbaren Wickeltisch. Während sie in seiner Tasche nach einer neuen Höschenwindel und Feuchttüchern suchte, hörte sie Olly und Bella draußen vor der Toilettentür reden.
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