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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah
Autoren: Julia Crouch
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hier.«
    Bella zupfte Lara am Rock. »Mum, ich bin echt müde.«
    »Und unser schottisches Stück wird einschlagen wie eine Bombe. Jetzt, wo wir endlich unseren Hauptdarsteller hier haben.« James zwinkerte Marcus zu. »Ich habe immer gesagt: Eines Tages werden wir es noch mal zusammen auf die Bühne bringen, stimmt’s?«
    »James hat damals an der Schauspielschule Macbeth inszeniert«, erklärte Marcus seiner Familie, die das bereits wusste.
    »Und der Bart sprießt auch schon fleißig«, sagte James und strich Marcus über die stoppelige Wange. »Na, Kinder? Wie ist es, einen solchen Kerl zum Vater zu haben?«
    Erneut verlagerte Lara ihr Gewicht auf Ollys Fuß, als sie sah, wie ihr Sohn sich schüttelte.
    »Mummy, wo ist Cyrilbär?«, fragte Jack und zog an ihrem Zeigefinger.
    »Im Auto.«
    »Ich will ihn aber haben …«, begann er zu quengeln.
    Lara war ganz schwindlig vor Müdigkeit. Sie wollte, dass der Tag endlich vorbei war, damit sie ihn abhaken und am nächsten Morgen frisch beginnen konnte.
    »Also dann!«, sagte James, der die allgemeine Stimmung richtig deutete. Er klatschte in die Hände. »Meine liebe Familie Wayland, ihr seht fix und fertig aus. Kommt, ich zeige euch jetzt euer Quartier.«
    Er nahm Marcus an der Hand und führte sie aus dem Gebäude zu seinem kleinen Sportwagen, der im Vergleich zu ihrem Giganten geradezu zwergenhaft aussah.
    »Ich glaub nicht, dass ich den die nächsten sechs Wochen lang aushalte«, grummelte Olly in Laras Richtung. Sie drehte sich zu ihm um, und als sie seine Miene sah, wusste sie, dass er es ernstmeinte.
    Und sie wusste auch, dass Olly jemand war, mit dem man es sich besser nicht verdarb.

3
    L ara wachte auf, weil Jack verzweifelt nach Luft schnappte. Bis zu diesem Moment hatte sie tief und fest geschlafen. Ihr Sohn lag neben ihr im Doppelbett und versuchte vergeblich, seine Lungen zu füllen. Dabei röchelte er wie ein Sterbender – ein Geräusch, das sogar noch lauter war als Marcus’ Schnarchen von der anderen Bettseite her.
    Sie sprang auf und nahm Jack hoch, während sie gleichzeitig mit dem sonderbaren Drehschalter an der Nachttischlampe kämpfte. Dann lief sie mit Jack im Arm zur Tasche auf dem Boden und durchwühlte sie nach seinem Inhalator.
    »Verdammt, was ist denn los?« Schwerfällig stemmte sich Marcus auf der quietschenden Matratze in die Höhe.
    »Das muss am Staub liegen«, erwiderte Lara, während sie Jack fünf Sprühstöße Asthmaspray verabreichte. Marcus sah zu, während sie dem Kleinen den Rücken rieb, bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte. Dann gab sie ihm eine Antihistamintablette und brachte ihn zurück ins Bett.
    »Geht’s dir jetzt besser, Jacky?«, fragte sie, über ihn gebeugt.
    »Ihm geht’s gut«, sagte Marcus. »Er braucht bloß Schlaf.«
    Soll heißen, du brauchst Schlaf, dachte Lara, als sie sich wieder ins Bett legte. Für sie war der Rest der Nacht gelaufen. Sie wusste genau, dass sie kein Auge mehr zutun, sondern auf jede Veränderung in Jacks Atem lauschen würde.
    Viel zu früh erhellte ein grelles Morgenlicht das Zimmer. Lara hielt es nicht länger im Bett aus. Sie horchte Jacks Brust ab, bevor sie sich aus der Umklammerung seiner klebrigen Gliedmaßen freimachte und ihn in einem verschwitzten Bettlaken-Knäuel neben Marcus liegen ließ. Sie sammelte ihre getragenen Kleider vom Boden auf, dann schlich sie auf Zehenspitzen die staubbedeckte Holztreppe hinunter ins Erdgeschoss, durch den Eingangsflur mit einem unsäglich verdreckten Teppichboden und weiter ins große Wohnzimmer, in das sie am Abend zuvor nur einen flüchtigen Blick geworfen hatten.
    So, dachte sie, während sie sich umschaute. Dies würde also für einen Sommer lang ihr Zuhause sein. James hatte ihnen am Abend erklärt, dass das Haus unbewohnt gewesen sei, bis sein Besitzer es großzügigerweise der Theatertruppe gestiftet habe, damit die Gastschauspieler anstelle einer Gage wenigstens kostenlose Unterkunft erhielten. Er hatte mehrmals betont, wie dankbar die Waylands sein konnten, als familiärer Anhang eines einzelnen Schauspielers das Haus ganz für sich allein zu haben.
    Was Lara sah, war meilenweit entfernt von den blitzenden amerikanischen Einrichtungen, die sie aus dem Fernsehen kannte. Die Möblierung war spartanisch und ließ nicht das geringste Anzeichen des üppigen Komforts erkennen, den sie erwartet hatte. Darüber hinaus war alles mit einer schmierigen Staubschicht überzogen.
    Etwas zutiefst Britisches in ihr freute sich
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