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Haut, so weiß wie Schnee

Haut, so weiß wie Schnee

Titel: Haut, so weiß wie Schnee
Autoren: Bastei Lübbe
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erinnerte sich auf einmal an den Apfel in seiner Hosentasche. Er hatte ihn die ganze Zeit dabeigehabt.
    »Willst du?«, fragte er und hielt ihn ihr hin.
    »Ja«, sagte sie und lachte wieder.
    Es krachte laut.
    »Das Dach stürzt ein«, sagte Jette.
    Dann gab es einen dumpfen Knall wie aus einer alten Kanone. »Die Villa brennt!«, rief Jette fassungslos.
    »Tut sie doch die ganze Zeit schon.«
    »Aber jetzt überall. Ganz plötzlich. Aus allen Fenstern kommen Flammen. Hohe Flammen. Und Rauch.«
    Dann zersprang mit einem lauten Klirren Glas. Jonah hörte, wie die Scherben auf den Kies prasselten.
    »Hoffentlich ist niemand mehr drin«, sagte Jette leise.
    In der Ferne hörten sie die Rufe von Klara und Charlie.
    »Sie suchen mich«, sagte Jette und stand auf. »Ich geh ihnen entgegen.«
    Ein Sanitäter tauchte auf und versuchte, sie zurückzuhalten. Es folgte ein kurzes Wortgefecht, aus dem Jette als Siegerin hervorging. Ihre Schritte entfernten sich. Jonah hätte ihr gern nachgesehen. Dann hörte er, wie Benno nach ihm rief.

Von Sonne und Soufflés
    Drei Wochen später …
    Jette lag neben ihm im knietiefen Wasser, und sie ließen sich von den Wellen an Land tragen. Sie stützten sich beide mit den Händen auf dem Sandboden ab, und ihre Beine trieben hinter ihnen auf dem Wasser. Vor ihnen lag der Strand mit den Palmenhütten und Cocktailbars, hinter ihnen der Golf von Mexiko.
    Wieder kam eine Welle und nahm sie ein Stück weit mit. Jette griff nach seiner Hand. Am Himmel schrie ein Vogel. Ein anderer antwortete. Vom Volleyballfeld her schallten Rufe und das unregelmäßige Schlagen eines Balles. Etwas weiter entfernt dröhnte aus einem Lautsprecher Salsa-Musik. Das Gelächter einer Gruppe Jugendlicher war zu hören. Es war gut, dass es die Geräusche gab. So wusste Jonah immer, wo der Strand war.
    Eine große Welle rollte heran. Sie trug sie weit an Land und brach über ihren Köpfen. Er hielt Jettes Hand fest. Es gab nur sie beide, das Wasser und den Sand. Geborgen in den Elementen. Er blieb mit ihr unter Wasser, bis ihnen der Atem ausging. Dann schüttelten sie sich lachend die Wassertropfen aus den Haaren und wateten zum Strand hoch. Am Ufer ließen sie sich in den nassen Sand fallen und genossen es, wie die auslaufenden Wellen ihre Füße umspülten.
    Den ganzen Tag waren sie immer wieder im Wasser gewesen. Es war warm. Und das erste Mal gab es richtige Wellen, denn in der Nacht hatte es gestürmt.
    Mexiko war Jettes Idee gewesen. Sie hatte von Dukie erfahren, dass das einmal Jonahs Traum gewesen war. Innerhalb von drei Tagen hatte sie die Reise gegen alle elterlichen Widerstände durchgesetzt. Wobei das Problem eher ihre Familie gewesen war. Seine eigenen Eltern waren so glücklich, dass sie zurzeit praktisch alles erlaubten. Nicht nur darüber, dass ihm während der Entführung nichts geschehen war. Auch dass er wieder Lust hatte, aus dem Haus zu gehen, machte seine Mutter unendlich froh. Allein hatte man sie dennoch nicht fahren lassen. Vom ersten Tag an hatten sich seine Eltern in der Nähe eine Ferienwohnung genommen und Jettes Mutter ein Hotelzimmer in der Bucht zu ihrer Linken. Gestern war noch Jettes Vater nachgekommen. Zum Glück hatte niemand auf ein gemeinsames Hotel bestanden. Den Strand mit den kleinen Hütten hatten sie ganz für sich allein. Ihre Eltern tauchten einmal am Tag auf, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei, und ließen sie ansonsten völlig in Ruhe. Damit hatten sie nicht gerechnet, und es war einfach traumhaft.
    Jonah strich ihr über den Rücken. Es gab Momente, da konnte er es immer noch nicht fassen, dass sie leibhaftig da war. Aber alles an ihr war echt. Ihr Atem, ihre Haut, ihr Lachen. Die lebendige Jette. Die aus Fleisch und Blut. Und wie glatt ihre Haut war. Dabei war es erst drei Wochen her, dass er sie mit Pusteln übersät aus der brennenden Villa gerettet hatte. Konnten Windpocken so schnell heilen? Er tastete nach der Stelle an ihrem Arm, an der die Fledermaus sie gebissen hatte. Aber auch davon war nichts zurückgeblieben. Er berührte ihren Kiefer, den Wim Tanner mehr als einmal gequetscht hatte. Keinerlei Unebenheit.
    Wim Tanner war immer noch flüchtig. Wim Tanner: der andalusische Gärtner. Wie hatten sie sich so täuschen lassen können! Er würde es sich nie verzeihen.
    Vor ein paar Tagen hatte er Jette noch einmal gefragt, was sie eigentlich von der Sache mit dem besonderen Gen halte. Immerhin war ihre Haut tatsächlich außergewöhnlich schön. Vielleicht hatte
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