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Haut, so weiß wie Schnee

Haut, so weiß wie Schnee

Titel: Haut, so weiß wie Schnee
Autoren: Bastei Lübbe
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gleich wieder da.«
    »… und haben dann alles Wichtige draußen besprochen. Morgen kümmere ich mich direkt um den Garten.« Dukie tippte verzweifelt auf seinen Armaturen herum.
    Es klopfte schon wieder. Carmen brachte den Nachtisch. Orangenblütensorbet. Jonah ließ seine Hände über das kalte Glas gleiten, griff nach dem Löffel und kostete. Das Eis schmeckte nach Strand, Licht und Farben. Er musste an seine Mobilitätstrainerin denken, die ihm in der Zeit nach dem Unfall beibringen sollte, wie er als Blinder allein zurechtkam. Er hatte sich nicht sehr für ihre Tipps interessiert und war immer froh gewesen, wenn sie wieder ging. Eines Tages hatte sie ihn gefragt, was er denn am liebsten mache. Und er hatte »Nachtisch essen« gesagt und es auch so gemeint. Den Desserts seines Vaters gelang es immer irgendwie, ihn etwas mit der Welt auszusöhnen. Auch jetzt wich seine Anspannung. Er verputzte alles bis auf die Orangenschale und lehnte sich zufrieden zurück. »Was machst du jetzt?«, fragte er seinen Freund.
    »Wie meinst du das?« Dukie klang gelangweilt.
    »Vielleicht solltest du das Mädchen warnen«, sagte Jonah.
    »Wieso?«
    »Würdest du wollen, dass jemand heimlich eine Genprobe von dir nimmt?«
    »Was soll’s? Außerdem wissen wir ja nicht einmal, wer sie ist. Wie willst du sie da also warnen?«
    »Vielleicht kann man ja ihren Namen herausfinden«, überlegte Jonah.
    »Kann man. Muss man aber nicht.« Dukie klang genervt. »Wenn ich mich um alles kümmern würde, was mein Alter so anrichtet, käme ich zu nichts mehr. Er macht sein Ding und ich meins. So ist das.«
    »Dukie …«
    »Ich hab wirklich keine Zeit. Nächste Woche soll die Titanenwurz blühen, und dann gibt mein Vater wieder ein Fest. Wäre toll, wenn der Garten dann fertig ist.«
    »Vielleicht ist sie in Gefahr.«
    »Rette du sie doch.«
    »Ich bin blind.«
    »Auch ein blindes Huhn …«
    Jonah lehnte sich etwas nach rechts, spürte Dukie neben sich und rammte ihm den Ellbogen in die Seite. Dukie schnappte nach Luft.
    »Idiot!«, keuchte er.
    »War nicht persönlich gemeint.«
    »Jonah, komm, entspann dich. Setz dich aufs Bett und sperr einfach die Ohren auf. Das Leben ist hier!« Dukie tippte auf seine Apparate. »Ich bring es zu dir. Du brauchst nicht einmal vor die Tür zu gehen. Und alles in erstklassiger Qualität!« Dukies Stimme klang fast zärtlich, als er über seine technische Ausstattung sprach. »Sag mir, gibt es einen Satz, den du nicht verstanden hast? Hat das Mikrofon auch nur einmal geknistert?«
    »Nun ja. Der Garten ist natürlich ein Totalausfall.« Jonah grinste.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte Dukie. »Bei mir sitzt du in der ersten Reihe. Ich zähl auf dich.«
    Jonah machte es sich wieder auf dem Bett bequem. Er spürte dem Orangengeschmack im Mund nach und merkte,dass die Sache ihm letztlich egal war. Dukie hatte eben nichts als seine Technik und die Fehde mit seinem Alten im Kopf. Sollte er tun, was er nicht lassen konnte. Und mit ihm selbst hatte es das Schicksal ja schließlich auch nicht gerade gut gemeint.

»Vision Face sucht …«
    Jette biss in ihren Apfel und kaute bedächtig. Bloß keine übertriebenen Aktivitäten, dachte sie. Der Apfel schmeckte süß. Sie leckte sich die Lippen ab und biss gleich noch einmal hinein. Neben sich hörte sie Klara und Charlie in ihren Zeitschriften blättern. Die drei Freundinnen hatten sich direkt nach der Schule bei Charlie auf den Balkon gelegt, sonnten sich dort in den Liegestühlen – und warteten.
    Heute sollte die Wohnung geräumt werden. Charlie war wild entschlossen, ihre eigenen vier Wände keinen Moment zu früh zu verlassen, und Jette und Klara hatten es ihr nicht ausreden können. Charlies Mutter und ihre kleine Schwester waren bereits ausgezogen. Sie lebten jetzt bei der Großmutter. Ab heute Abend war das auch Charlies neues Heim.
    »Um den Balkon ist es wirklich schade«, sagte Jette in die Stille hinein.
    »Um das Blümchenklo auch«, bemerkte Klara. »Blümchen in der Kloschüssel! Das gibt’s sonst nirgends. Können die das Klo nicht ausbauen und mitnehmen, und ihr kauft es später zurück?«
    »Du redest ja wie meine Mutter«, sagte Charlie genervt. »Hat sie auch schon gesagt. Aber wie soll das gehen? Eine Kloschüssel ausbauen! Außerdem müssen wir die Räumung selbst bezahlen. Jedes Stück, das die aus der Wohnung tragen, erhöht die Rechnung. Würde mich nicht wundern, wenn auch die Lagerung kostet.«
    »Wieso hat deine Mutter den Auszug denn nicht
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