Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter
Autoren: Heinrich Böl
Vom Netzwerk:
tat.
    Unten im Hause lachte die Bäckerin schrill, und die Stimme des Bäckers kam drohend, energisch fast durch den Flur. Brummend kam er die Treppe herauf, rappelte an der Türklinke. »Mach auf«, rief der Bäcker.

    Sie antwortete ihm nicht: Sie dachte an den anderen, dessen Namen sie nicht wußte: Erich und Gert, Karl und Leo fielen hinter den Horizont, und das Gesicht des Bäckers konnte sie sich nicht mehr vorstellen, obwohl er vor der Tür stand. »Machst du auf?« rief er draußen, und es kam ihr lächerlich vor, daß Drohung in seiner Stimme lag. »Geh«, sagte sie leise, »ich mach ȇ nicht auf.« Und er ging. Drohungen murmelnd, stieg er die Treppe wieder hinab. Sie dachte an den andeten, und sie wußte, daß er wiederkommen würde.

22

    Zuerst spielten sie mit den Jungen aus dem Dorf, die Will eingeladen hatte. Der Rasen war geschnitten, die Tore waren geflickt, sie spielten eifrig, bis Heinrich plötzlich rief: »Ich mag nicht mehr.« Er lief aus dem Spiel weg, setzte sich zu Albert, der auf der Terrasse Bier trank und in den Zeitungen las, aber auch von dort ging er bald weg, ums Haus herum auf den Schuppen zu und
256
    setzte sich auf den Hauklotz, neben dem Will das Beil hatte liegenlassen.
    Hier war er allein. Will war ins Dorf gegangen, um zu beichten, Albert las in der Zeitung, und er würde stundenlang in der Zeitung lesen. Wilma war drinnen mit Alberts Mutter beim Kuchenbacken. Sprüche wurden drinnen aufgesagt, freundlich hingemurmelt von Alberts Mutter: »Wer will guten Kuchen backen, der muß haben sieben Sachen« Ȭ langsam sagte es Alberts Mutter, und Wilma sollte es wiederholen, aber das einzige, was Wilma zustande brachte, war »Zucker«, war »Ei«, und Alberts Mutter lachte. Es roch warm und süß wie im Keller der Bäckerei, und ein Blech voll gelber Plätzchen stand schon zum Abkühlen auf der Fensterbank.
    Dann hörte er, daß auch Martin rief: »Ich mag nicht mehr«, und die Jungen aus dem Dorf spielten einige Minuten allein, gingen dann weg, und Heinrich hörte, wie Albert Martin Tischtennis beizubringen anfing. Das Netz wurde befestigt, der Tisch gegen die Wand gestellt, und Albert sagte: »Paß auf«, sagte: »So Ȭ du mußt es so machen«, und das regelmäßige helle Tittern der Bälle mischte sich mit dem Spruch, den Alberts Mutter versweise von sich gab: »Eier und Schmalz, Butter und Salz«, und Wilma schrie: »Zucker«, schrie: »Ei«, und Alberts Mutter lachte. Alles war so schön: das helle Tittern der Tischtennisbälle, Wilmas freudige Stimme, die Güte, die aus der Stimme von Alberts Mutter herausklang. Will war so gut, Albert war es. Gut und schön und warm auch klang der Spruch »Safran macht den Kuchen gehl«. Safran war ein gutes Wort, schmeckte und roch gut, doch alles das war etwas für Kinder. Ihm aber konnten sie nichts vormachen: Es stimmte etwas nicht. Er wußte, daß der Bäcker nicht so gut war, wie er zuerst immer geschienen hatte. Als die Mutter ihm sagte, daß sie zum Bäcker ziehen würden, war ihm das wunderbar erschienen, aber er wußte jetzt, daß es nicht wunderbar sein würde. Der Bäcker war wie die gutmütigen Lehrer, die in entscheidenen Augenblicken böse wurden, böser als die anderen. So schlecht wie Leo war der Bäcker nicht, und eins war sicher: Sie würden mehr Geld haben, keine Miete zahlen und so.
    Schon legte er in der Erinnerung zu Erichs Feuerzeug, zu Gerts Armbanduhr und zu Karls Kochgeschirrhülle Leos Nagelfeile, die in Mutters Nähkorb mit in den Umzug geraten war Ȭ und zu
    Erichs, zu Gerts und Karls Gerüchen kam ein vierter, der Leo Ȭ Geruch:
    Rasierwasser und Bohnerwachs. Lachen kam aus der Küche und ein neuer Spruch: »Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen.« Gelber, süßer Teig wurde dort geknetet, und es kamen Verse wie Beschwörungen aus einer freundlichen Welt: »Der hebt sie auf, der trägt sie nach Haus Ȭ und der kleine hier ißt sie alle auf«, und Wilma lachte hell und glücklich.
    Will kam, äugte um die Ecke, ging dann zu Albert hinüber, und Heinrich
    hörte, daß sie von ihm sprachen. Will sagte: »Was hat denn der Junge?« Und Albert sagte leise, aber nicht leise genug: »Laß ihn.«
    »Kann man ihm nicht helfen?« fragte Will.
    »Natürlich«, sagte Albert, »aber laß ihn jetzt, bei allem kannst du ihm nicht helfen.«
    Glockengeläut kam vom Dorf herüber, warm und dunkel, und er wußte,
    warum die Jungen aus dem Dorf aufgehört hatten, Fußball zu spielen: Es war große Andacht, und sie mußten als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher