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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne
Autoren: Nigel Findley
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doppelter Geschwindigkeit ablaufen und meine Gedanken abschweifen, während Jenny ihre Nachricht herunterleierte. Ich wußte, worum es sich handelte: um einen Kontrakt, den sie mir vor einer Woche als Gefälligkeit vermittelt hatte, um mir dabei zu helfen, das Geld für meine Miete aufzubringen. Alles hatte sich so entwickelt, wie es sich der Auftraggeber vorgestellt hatte, und Jenny ließ ein paar Lobeshymnen vom Stapel. Ich schaltete wieder auf normale Geschwindigkeit, als es den Anschein hatte, daß Jenny zur Sache kam.
    »...Und wenn du noch ein paar Takte darüber reden willst, komm mich doch einfach besuchen«, sagte sie mit einem Schlafzimmerlächeln, das kleinen Kindern Angst eingejagt hätte. »Morgen regeln unsere Freunde den Kredtransfer.« Ihr Lächeln wurde breiter, bis ich dachte, sie würde ihre Ohren verschlingen. »Bis später, Bernard.« Und der Schirm wurde dunkel.
    Ich konnte mir ein Kichern nicht verbeißen. »Bernard.« Ich weiß nicht, wer damit angefangen hatte, aber der Ausdruck hatte in den letzten Wochen die Runde durch den Schattenuntergrund der Sioux Nation gemacht und war so etwas wie ein modischer Ersatz für ›Chummer‹ oder das japanische ›Omae‹. Bis jetzt gehörte er nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch - noch nicht -, aber die hiesigen Shadowrunner und Möchtegerns hatten sich förmlich darauf gestürzt und betrachteten ihn als eine Art Familienerkennungssignal.
    Shadowrunner. Es war zum Lachen. Jenny würde sich in die Hose machen, wenn sie je einem echten Shadowrunner begegnete. (Jesus, ich hätte es fast beim erstenmal getan.) Die Geschäfte, die sie vermittelte, mochten als ›Schattenkontrakte‹ durchgehen, wenn man die Wortbedeutung ein wenig streckte, aber nur, weil sie sich im Bereich der Illegalität oder vielleicht knapp außerhalb der Legalität bewegten. Alle waren unendlich weit von der von den Medien verbreiteten Vorstellung von absoluten Härtetypen entfernt, die den Megakonzernen in den Hintern kniffen, während sie einem Kugelhagel auswichen. Ich war dort. Hab's getan. Zu heftig. Geschenkt.
    Lassen Sie mich von dem ›Run‹ erzählen, den ich gerade für Jenny erledigt hatte. Es ging um einen Mittelklasse-Wohnblock mit Eigentumswohnungen am Rande des Cheyenner Innenstadtkerns - dem Avalon -, der Probleme mit Chip-Dealern hatte, die ihr Geschäft aus einer Penthouse-Wohnung des Blocks betrieben. Aktivitäten rund um die Uhr, ein ständiges Kommen und Gehen anrüchiger Typen, Chipheads in der Lobby, der ganze Drek. Die Eigentümerversammlung hatte versucht, die Chip-Dealer zur Räumung zu zwingen... und hatte daraufhin in klaren Worten zu hören bekommen, daß ihre Knie, Ellbogen und gewisse andere Körperteile Bekanntschaft mit stumpfen Gegenständen in den Händen angeworbener Knochenbrecher machen würden, falls sie die erforderlichen Papiere ausfüllten. Die Cops konnten nicht gegen die Dealer vorgehen, weil es schlicht und einfach keine Beweise gab. Die Eigentümer w ußten, was lief, aber sie konnten den Abgrund zwischen Wissen und Beweisen nicht überwinden.
    Auftritt Dirk Montgomery, linke Bühnenseite, auf einem weißen Hengst. Mein Kontrakt - mein ›Shadow-run‹, wenn Sie so wollen - sah vor, den Chip-Dealern Feuer unterm Hintern zu machen und sie zur Räumung des Wohnung zu veranlassen. Keine Auflagen, wie ich die Sache anzugehen hatte, keine Fragen. Nur das Resultat zählte.
    Ich glaube, Jenny rechnete damit, daß ich mich den Dealern frontal nähern würde, wahrscheinlich über das Korn einer riesigen Kanone. (Gott weiß, woher sie diese übertriebene, schwärmerische Vorstellung von mir hat...) In den alten Zeiten hätte sie vielleicht recht behalten. Vielleicht hätte ich tatsächlich den direkten Weg gewählt. Aber die Dinge haben sich geändert. Heutzutage ziehe ich es vor ›angewandte Sozialwissenschaft‹ zu betreiben, anstatt mich aus dem Fenster zu lehnen.
    Wie bin ich also mit den Chip-Dealern fertiggeworden? Ganz einfach. Ich kundschaftete das Haus aus und identifizierte die Hauptkunden der Dealer - in erster Linie Kleinverteiler und nicht etwa ausgebrannte Süchtige. Sobald ich über die meisten Bescheid wußte, schickte ich jedem per E-Mail eine persönliche Nachricht, die sie höflich davon in Kenntnis setzte, daß ich Grund zu der Vermutung hätte, die Person, welche sie regelmäßig im Avalon besuchten, sei in illegalen Chiphandel verwickelt - natürlich alles nur ›in Ihrem eigenen Interessen Der Clou war, daß ich von jeder
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