Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne
Autoren: Nigel Findley
Vom Netzwerk:
Nachricht eine Kopie an das Cheyenner Drogendezernat schickte!
    Fazit? Die Kleinverteiler stellten ihre Besuche ein, und ein paar Tage später waren die Dealer ausgezogen. ›Sha-dowrun‹ beendet, null persönliche Bloßstellung - also ganz so, wie es mir neuerdings gefiel.
    Wie bitte? Keine Kanonen? Keine Hetzjagden mit Konzernsicherheitstruppen? Keine lockeren Schießereien mit Lone-Star-Cops?
    Nun... nein. Absichtlich nicht. Jetzt könnten Sie sagen, ich werde alt und trete kürzer. Ich würde sagen, ich werde klug und lebe länger. Raffinesse hat eine Menge für sich.
    Ich hatte noch nie das Bedürfnis zu beweisen, daß ich der gemeinste, härteste Drekskerl bin, der je unterwegs war. Nicht nur hatte ein Bekannter von mir - vielleicht ein Freund, je nach Definition - diesen Titel meiner voreingenommenen Ansicht nach für sich gepachtet, sondern meine Erfahrung sagte mir auch, daß zu viele Leute, die diesen Weg beschritten, ins Gras bissen. Besser eine lebendige Ratte als ein totes Schwergewicht war schon immer mein Motto.
    Und überhaupt, man brauchte Asse im Ärmel, um sich auf die Straße zu wagen. Mumm, Schneid, Feuer, wie immer Sie es nennen wollen. Man mußte sich auskennen und brauchte die Instinkte... und wenn der Drek zu dampfen anfing, mußte man diesen Instinkten vertrauen. Besaß ich diese Instinkte noch? Im vergangenen Jahr hatte ich ihnen nicht genug vertraut, um es herauszufinden. Und dort draußen in den Schatten hätte mich das zu einer wandelnden Zielscheibe gemacht.
    Schön, zugegeben. Da war immer noch der Adrenalinstoß, der damit verbunden war, wenn man seinen Arsch riskierte, diese transzendente Freude, die man auf andere Weise nicht erleben konnte, ohne das Großhirn mit BTL-Signalen zu füttern. Aber alles hatte seinen Preis, und ich hatte immer etwas an der Hand, das mich daran erinnerte - an der linken Hand.
    Sollte Jenny also denken, was sie wollte. Sollte sie ihre Shadowrunner-Spielchen spielen. Sollte sie sich ruhig einbilden, daß sie sich am Rande der Schatten-›Oberliga‹ bewegte. Ich gönne jedem seine Illusionen und Hirngespinste. Ich hatte einmal in dieser Oberliga gespielt -nur einmal, nur für eine Nacht -, und ich wußte, daß ich das, was ich brauchte, um ein zweites Spiel zu überleben, nicht besaß.
    Ich spürte den Ansturm der Erinnerungen, hielt sie jedoch an der Schwelle zum Bewußtsein zurück. Das war damals, dies war jetzt - um Gautama (falsch) zu zitieren ... oder war es Michael Nesmith? Ich löschte Jennys Glückwünsche und rief die Nachrichten aus meiner persönlichen Mailbox auf.
    Die Absendeadresse der ersten Nachricht kannte ich nicht, aber als das Bild auf dem Schirm auftauchte, wußte ich, daß sie als Gast irgendeines automatischen Systems irgendwo abgeschickt worden sein mußte. Ein Schopf schmutzigblonder, kurzgeschnittener und stacheliger Haare. Eine schlanke, ein wenig längliche Gesichtsform - eher attraktiv als im klassischen Sinne schön. Braune Augen in einem blassen, ein wenig sommersprossigen Gesicht.
    »Hoi, Bruderherz«, sagte meine Schwester Theresa.
    Ich drückte eine Taste, um die Aufzeichnung anzuhalten, während ich das Standbild studierte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Diese Augen hatten einmal aus schierer Lebensfreude gestrahlt. Jetzt erinnerten sie mich an Dokumentarfilme über Soldaten, die aus dem Wahnsinn der EuroKriege zurückgekehrt waren. Ihre Wangen waren ein wenig hohl, und ich schätzte, daß sie immer noch fast zehn Kilo Untergewicht hatte.
    Aber mir fielen auch bemerkenswerte Fortschritte auf. Ihre Augen hatten immer noch diesen Kriegsneurose-Blick, aber zumindest schauten sie nicht mehr so verletzt drein. Ihre Lippen hatten sich zur Andeutung eines Lächelns verzogen, ein gewaltiger Unterschied zu den alten Zeiten, als ihr Lächeln meine ganze finstere, schmierige Bude erhellt hatte, aber im Vergleich mit ihrem Aussehen von vor ein paar Monaten trotzdem ein riesiger Fortschritt. Das Leid war immer noch da - das Leid, das ihr die Wahl auferlegte, die wiederum den Verlauf ihres Lebens bestimmt hatte. Und das Leid, das diese Wahl ihr bereitet hatte. Das Leid würde vermutlich niemals vergehen, wurde mir mit einiger Trauer klar. Aber es war auch eine Veränderung zum Besseren eingetreten. Jetzt empfand sie das Leid. Vorher war sie Leid... und das ist ein verdammt großer Unterschied. Mittlerweile konnte ich ihr in die Augen sehen, ohne zusammenzuzucken.
    Sie kam wieder - endlich konnte ich es erkennen und dieser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher