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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne
Autoren: Nigel Findley
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Erkenntnis auch vertrauen. Es hatte fast vier Jahre gedauert - achtzehn harte Monate der Entgiftung, Analyse, Psycho-Rehabilitation und Chemo- und Elektrotherapie, gefolgt von achtundzwanzig Monaten, in denen sie lernen mußte, wieder einen Bezug zur realen Welt aufzubauen. Doch die Zeit trug langsam Früchte. Ich schüttelte den Kopf. Es war schlicht umwerfend, was der menschliche Körper - und, wichtiger, der menschliche Geist - ertragen konnte, ohne zusammenzubrechen.
    Ich spulte die Aufzeichnimg kurz zurück und ließ sie dann noch einmal von Anfang an ablaufen.
    »Hoi, Bruderherz«, sagte meine Schwester Theresa. »Schöne Grüße aus Denver. Tut mir leid, daß ich dich verpaßt habe, aber in ein paar Tagen versuche ich's noch mal.
    Denver ist echt Sahne, noch mehr schizo als Seattle, wenn du das glauben kannst. Bist du eigentlich mal hier gewesen? Ich kann mich nicht erinnern.
    Jedenfalls, meine nächste Station ist San Francisco, glaube ich, wenn ich mit dem Datenwust fertig werde. Vielleicht fahre ich dann durch Cheyenne zurück, und du kannst mich zum Essen ausführen.«
    Ihr schwaches Lächeln wurde breiter, und für einen Augenblick konnte ich die alte Theresa Montgomery sehen. Im Geiste hörte ich wieder ihre Ausrufe plötzlicher Begeisterung und ihr unschuldiges Lachen. »Hier draußen haut mich immer noch alles um, Bruderherz«, fuhr sie fort. »Die Welt ist so groß und wunderbar. Ach, und falls du dich fragst...« Mit einer schlanken Hand strich sie eine blonde Haarsträhne zurück, so daß ihre Datenbuchse sichtbar wurde. Der Buchsenstecker saß noch an Ort und Stelle, und das Polymer-Siegel war unverletzt und mit dem Logo des Entgiftungssanatoriums gekennzeichnet.
    »Ich bin immer noch clean«, prahlte sie. »Über vierzig Monate, toi, toi, toi.
    Wir sehen uns, Derek.« Ihr Bild streckte die Hand aus, um die Verbindung zu unterbrechen.
    Wiederum hielt ich die Aufzeichnung an. Ich streckte die linke Hand aus und berührte das Gesicht meiner Schwester - synthetisches Fleisch, das ein synthetisches Abbild berührte.
    Sie schaffte es, sie schaffte den langen Schlauch zurück tatsächlich. Als mir die Therapeuten des Sanatoriums erzählt hatten, daß sie davon gesprochen hätte, ein Wanderjahr - einen ausgedehnten Reiseurlaub - einzulegen, hatte ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht. Sie war viel zu anfällig, hatte ich mich verrückt gemacht, noch nicht weit genug vom Abgrund der Drogen und Chips (und Schlimmerem!) entfernt, der sie fast verschlungen hätte. Sie würde nicht die Kraft haben, den unzähligen Versuchungen zu widerstehen, die sich in der realen Welt boten.
    Diese Therapeuten hatten tatsächlich gewußt, was sie taten - das mußte ich jetzt zugeben. Sie hatten gewußt, wie meine Reaktion auf diese Neuigkeit ausfallen würde. Anstatt mich auf meine Schwester loszulassen, anstatt mich sie so lange bearbeiten zu lassen, bis sie ihr Vorhaben aufgab, hatten sie mich nicht einmal mit ihr reden lassen, bis ich mich nicht selbst einer kleinen Therapie unterzogen hatte. Ich war kein leichter Fall gewesen, aber schließlich hatte ich begriffen. Ich hätte Theresa gar nicht davon abbringen können, ein Wanderjahr einzulegen, wenn es das war, was sie wollte. Sicher, es war ein Risiko - das war auch den Therapeuten und Entgiftungsärzten klar. Aber der Schaden für ihr Selbstwertgefühl, wenn sie oder ich ihr verboten hätten, ihren Weg zu gehen, wäre viel schlimmer und vor allem absolut unausweichlich gewesen. Es war eine schwere Geburt gewesen, aber ich hatte schließlich akzeptiert, daß das die endgültige Therapie für Theresa war: die endgültige Bestätigung, daß sie die Kontrolle über ihr Leben und über die Richtung hatte, die es nahm.
    Es war ein Glücksspiel gewesen, aber der Einsatz hatte sich gelohnt. Über vierzig Monate clean und nüchtern. Was auf eine vierjährige Erfahrung der Welt so, wie sie war, hinauslief, ohne das Beruhigungsmittel Sim-Sinn, BTL oder 2XS. Meine Schwester war auf dem Weg zurück vom Abgrund.
    Und ich konnte das Abhören der zweiten Nachricht nicht mehr länger aufschieben. Ich löschte Theresas Bild vom Schirm und wählte die andere Nachricht an.
    Noch ein Frauengesicht, fast so vertraut wie das meiner Schwester. Kurze, glatte, kupferfarbene Haare. Graue Augen. Klasse und Kultiviertheit kübelweise. Jo-casta Yzerman, die Schwester der toten Lolita Yzer-man - die ich als Lolly gekannt hatte - und eine Hauptfigur bei den... den Ereignissen ... die meinem
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