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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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dass ich über … darüber gesprochen hab, und das darf ich nicht.«
    »Aber du wolltest mit mir darüber sprechen, deshalb hast du doch angerufen.«Helen gab nicht auf.
    »Wollte ich nicht. Und ich hab nicht gesagt, was Tsunami gemacht hat«, verteidigte er sich sofort und man merkte, was für ein Automatismus in seinem Kopf ablief.
    Dieser Tsunami musste bereits in jeder Zelle seiner Haut stecken. Helen mochte sich nicht ausmalen, was dieser Typ ihm angetan hatte. Jetzt war sie sich sicher: Der Junge war kein Wichtigtuer. Er schwebte in Lebensgefahr.
    »Wenn ich es nicht schaffe, dann bin ich schuld und komme nicht zu den Engeln.«
    »Wir können ihn auch so ins Gefängnis bringen, wir müssen es versuchen! Sonst wirst du am Ende der Täter sein und nicht mehr das Opfer!“
    »Nein, spinnst du! Ich bin kein Böser, ich bin ein Engel! Nur ich kann es beenden!«
    »Dann bring doch um Himmels willen Tsunami um!«, entfuhr es Helen und sie erschrak im selben Moment fürchterlich über sich selbst. So was durfte sie nicht sagen. Sie musste sich und ihre Emotionen besser im Griff haben.
    »Das geht nicht, Tsunami kann meine Gedanken lesen und kommt mir dann zuvor.« Der Anrufer blieb trotz Helens Ausbruch ruhig. »Und es ist viel zu einfach und tut nicht genug weh. Tsunami weiß nicht, wie stark … ich von Tsunami vermisst werde. Das wird Tsunami erst merken, wenn ich nicht mehr da bin.«
    »Sonst würde er dich stoppen?«
    »Bestimmt. Ich bin der Beste, sagt Tsunami.«
    Der Beste im Gequält- und Misshandeltwerden? Wie groß musste die Ohnmacht dieses Jungen sein, dass er so viel Furchtbares anrichten musste, um seinem Peiniger ein Schnippchen zu schlagen? Gleichzeitig spürte Helen, dass sie trotz ihrer starken inneren Abwehr etwas mit diesem Jungen und seinem Peiniger verband. Sie hatten alle drei das Begehren nach Macht und Wirksamkeit. Den Willen zu siegen, und wenn es nur einmal im Leben war. Und die Angst vor der Hilflosigkeit und dem Scheitern.
    Umso mehr reifte jetzt in ihr der Entschluss, dass sie es diesem Tsunami zeigen würde. Das war ihre Aufgabe, sonst hätte der Junge einen ihrer Kollegen an die Strippe bekommen. Oder anderswo angerufen. Oder gar nicht.
    Sie konnte nicht tatenlos zusehen, sie musste es versuchen. Mittlerweile hatte sie sich im Kopf einen Plan zurechtgelegt. Ein Plan, von dem sie nicht wusste, ob er gut oder schlecht war. Sie erklärte ihn ausführlich und er hörte zu, sagte aber nie, dass er einverstanden war und sich an die vorgeschlagenen Schritte halten würde. Sie musste es trotzdem versuchen – es war ihre einzige Chance.
    Zum Schluss redete sie ihm noch mal ins Gewissen: »Ich versteh deine Enttäuschung über die anderen, aber sie sind unschuldig.«
    »Von wegen!«, sagte er böse. »Sie haben nichts kapiert, ich wusste es.« Jetzt war das Gespräch endgültig gelaufen und der Junge beendete es mit den eindringlichen Worten »Tsunami ist kein Mann«. Dann legte er auf.
    Helen sackte auf ihrem Schreibtischstuhl zusammen. Sie kam sich vor wie jemand, der darüber entscheiden musste, ob man ein Flugzeug mit Terroristen und Bomben an Bord lieber in eine Großstadt crashen ließ oder es vorher abschoss und damit die unschuldigen Passagiere opferte. Sie hoffte, dass es ihr gelingen würde, einen Amoklauf mit anschließendem Selbstmord zu verhindern. Gleichzeitig beschlich sie aber das Gefühl, dass ihr letzter Satz dem Anrufer das Genick gebrochen und ihn wieder in die hilflose Ausgangssituation zurückkatapultiert hatte: Die anderen sind unschuldig .
    Trotzdem musste es eine Möglichkeit geben, diesen Tsunami als Verbrecher zu überführen und zu verhindern, dass sein unschuldiges junges Opfer zum Täter wurde. Zu einem Täter gemacht wurde. Alle schauten immer nur auf die Mörder, aber nicht auf die Mördermacher. Das würde Helen versuchen zu verhindern – wenigstens dieses eine Mal.

1
    Ich heiße Michelle, Robin war verliebt in mich, ich aber nicht in ihn.
    Robin war kein wirklicher Freund. Er war einfach irgendwie immer da. Obwohl wir uns ständig große Mühe gegeben haben, ihn loszuwerden. Besonders Mike! Mike ist mein bester Freund. Er wäre gern mehr. Aber ich weiß nicht, ob ich das will. Mike war immer richtig genervt von Robin und ich glaube auch ziemlich eifersüchtig, wenn ich mal drei Worte mit Robin gewechselt habe. Dagegen war Robin für Janni und Daniel gar nicht wirklich existent. Sie haben die meiste Zeit durch ihn hindurchgeguckt. Jetzt im Nachhinein kommt mir
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